Der Lebensphilosophiefaden

    • Der Lebensphilosophiefaden

      Ja ihr seht richtig, ich eröffne hiermit tatsächlich einen seriösen Faden. Hier darf es um alles Mögliche gehen, das euch so beschäftigt. Seht ihr in diesem Leben einen Sinn? Glaubt ihr an irgendetwas? Bietet die Wissenschaft die Antwort auf alle Fragen? Wie seht ihr heutzutage das Thema Religion? Spielt überhaupt irgendwas eine Rolle oder ist alles egal? Gibt es eine objektive Realität? Was passiert nach dem Tod? Gibt es Karma? Lebt ihr nach irgendwelchen Grundsätzen oder einfach so vor euch hin? Sind wir alle separate Individuen oder ist alles eins? Gibt es eine Seele? Hat das Bewusstsein eine materialistische Komponente im Körper oder geht es darüber hinaus? Wird es jemals künstlich hergestellt werden können? Etc. pp.

      Verschwörungstheorien oder sowas aber bitte rauslassen. Außerdem wenn möglich ein bisschen zurückhalten was Spam angeht, mir persönlich ist es egal aber anscheinend verlieren andere dann die Lust am Diskutieren.

      Mal sehen ob der Thread an einem Freitag Abend anläuft, wenn nicht poste ich morgen zur Primetime nen subjektiven Startpost als Diskussionsgrundlage.
    • guter thread

      meine lebenseinstellung deckt sich größtenteils mit epikureismus + einigen kleinen einheiten frühem kynismus. könnte literally fast jede ansicht von epikur für mich persönlich auch so unterschreiben
    • Ich habe nicht viel mit dieser Philosophie am Hut - für mich ist das einfach brotlose Kunst. Dafür glaube ich immerhin an das Gute im Menschen, Ehrlichkeit und Hilfsbereitschaft als den Weg, durch den normalen Alltag zu kommen. Kurz gesagt: Der normale Menschenverstand reicht im Normalfall immer aus.
      Ab aufs Velo:

    • lebensphilosophie bei mir ziemlich simpel: erst denken, dann handeln. Oder um mal meinen alten herren zu zitieren der immer gesagt hat: du sollst nicht immer denken was andere denken (könnten).
      karma gibt es meiner meinung nach auch, nur denke ich eher es ist mehr auszudrücken in einem geben und nehmen, bist du nett zu jemanden kommt alles irgendwann mal zurück.

      luke schrieb:

      ALLE 18 jährigen außer betrayus sind scheiße

    • Hmm, muss ich wohl doch erstmal was pfostieren. Ich bin kein Buddhist, finde deren Weltanschauung aber zu großen Teilen sehr schlüssig und orientiere mich daher auch recht stark daran. Also hier mein ungefähres Weltbild:

      Zunächst mal denke ich nicht, dass es eine objektive Realität oder eine wahre Welt oder irgendsowas gibt. Wie wir die Welt wahrnehmen, hängt hauptsächlich von uns selber ab und niemand kann wissen, wie jemand anderes ein und dieselbe Situation wahrnimmt. Daher ist es von größter Bedeutung, sich selbst bzw. eher seinen Verstand besser zu verstehen und sich dessen manipulativen Machenschaften bewusst zu werden. Dabei geht es vor allem um die quasi automatische Auswertung und Bewertung unserer durch die Sinne wahrgenommenen Eindrücke. Konventionell bekommen wir gute Laune wenn uns etwas gefällt und schlechte Laune wenn uns etwas missfällt. Wenn man sich von externen Eindrücken so stark beeinflussen lässt, besitzt man wenig Kontrolle über sich selbst. Der Sinn des Lebens liegt also darin, dieses Prinzip zunächst grundsätzlich zu realisieren und sich dann nach und nach immer weiter davon zu lösen. Während dieses Prozesses stellt man also z.B. fest, dass man zu jeder Zeit prinzipiell die Entscheidungsfreiheit darüber besitzt, wie man sich gerade fühlt.
      Wie sieht das ganze in der Praxis aus? Ganz einfach, ich schaue meinem Verstand beim Denken zu. So oft wie möglich, immer wenn ich gerade daran denke. Ich verstehe dabei wie bestimmte Gedanken zu bestimmten Gefühlen führen, wie einige Gedankengänge fast als feste Mechanismen immer und immer wieder kommen und merke immer mehr, wie ignorant und lächerlich der menschliche Verstand ist und somit meine Probleme alle selbstkreiert sind. Das ermuntert mich dazu, diese ständige Introspektion beizubehalten um mich nicht mehr so häufig durch zweifelhafte Schlüsse meines Verstandes leiten zu lassen, auch wenn es gerade jetzt am Anfang noch sehr viel Konzentration und Bequemlichkeitsüberwindung erfordert.
      Viele Leute sprechen mich auf die wohl bekanntesten buddhistischen Konzepte, Karma und Wiedergeburt, an. Ich finde, denen wird im Allgemeinen zu viel Bedeutung zugesprochen. Das erste Problem ist, dass man sie vermutlich niemals wirklich beweisen oder widerlegen können wird. Das stößt dann vielen Leuten sauer auf, die auf Grund dieser Glaubensproblematik auch sonst mit Religionen nicht so viel anfangen zu können. Außerdem kann man gerade beim Thema Karma jahrelang über irgendwelchen speziellen Fälle grübeln und versuchen, alles bis ins kleinste Detail auszudiskutieren. Das führt jedoch zu nichts. Ich halte es daher so, dass ich auf jeden Fall an den Teilen des Buddhismus, die ich konkret erfahren kann, festhalte, und je mehr Vertrauen ich darin entwickele, desto eher kann ich mich auch mit dem Rest anfreunden. Im Prinzip ist es ja auch egal, ob es Karma und Wiedergeburt wirklich so gibt wie beschrieben. Wichtig sind ja eher die Schlüsse, die im Allgemeinen daraus gezogen werden und dazu führen sollen, dass man sich "moralisch" verhält, also Liebe und Mitgefühl gegenüber allen anderen Lebewesen aufbringt (ohne dafür Gegenleistungen zu erwarten) und niemandem schadet. Also im Groben und Ganzen ungefähr das, was Perdita als "normalen Menschenverstand" bezeichnet hat.

      Um dann noch ein Level höher zu gehen: ich mag die Theorie eines "globalen Bewusstseins". Ich sehe mich konventionell als einen einzelnen Menschen an. Aber warum mach ich das so? Was trennt mich von allem anderen?Was ist denn ein "Ich"? Klar, es gibt da "meinen" Körper und "meinen" Verstand, etc, aber keine "meiner" einzelnen Komponenten könnte man sinnvoll als "Ich" beschreiben. Es gibt ja auch nicht irgendeinen oberen Boss oder so über mich. Es gibt keinen Teil des Gehirns, von dem aus alle Kontrollkraft ausgeht. Sowohl mein Körper als auch mein Geist existieren als Wechselwirkung zwischen verschiedenen Körperteilen oder Neuronen oder was auch immer. Konzeptionell unterscheide ich zwischen "mir" und "jemand anderem", aber im Prinzip ist das eine sehr willkürliche Einteilung. Daher hoffe ich, dass ich irgendwann an einen Punkt kommen kann, an dem ich diese Realisierung nicht mehr nur auf einer intellektuellen Ebene nachvollziehen kann, sondern mir ständig darüber bewusst bin, dass mein "Ich" etwas Konstruiertes ist und ich eigentlich genau wie jeder andere Teil eines großen Ganzen bin, dass also jegliche Abgrenzung zwischen Lebewesen überhaupt keinen Sinn ergibt. Dann wird auch der ganze Karmagedanke komplett irrelevant und alle moralischen Fragen lösen sich in Luft auf. Denn warum sollte ich jemandem schaden wollen, wenn ich gar nicht von ihm verschieden bin?

      Soviel also zur übergeordneten Sinnfrage. In der Praxis hab ich natürlich noch so einiges an Problemen. Bequemlichkeit, innerer Schweinehund, Egoismus, etc. sind allesamt nach wie vor stark vorhanden und ich habe extreme Probleme damit, von der Theorie auf die Praxis zu kommen. Außerdem liebäugele ich immer ein wenig mit eher nihilistischen Gedanken. Wenn es nur um meinen Geist geht, warum dann überhaupt jetzt schon über irgendetwas anderes caren? Was bockt mich Politik? Warum soll ich rausgehen und probieren die Welt zu retten solange ich selber noch so weit davon entfernt bin, mich vor mir selbst zu retten? Ist es überhaupt möglich, irgendetwas externes maßgeblich zu verändern, wenn doch meine eigene Wahrnehmung so stark von mir selber abhängt? Ich weiß, dass es auf all diese Fragen halbwegs zufriedenstellende Antworten gibt, aber trotzdem kommen sie immer wieder auf.


      Soweit erstmal als kleiner Startschuss. Ich hoffe ich habe eure Filzhüte ordentlich zum Glühen gebracht, bin gespannt.
    • roflgrins schrieb:

      Zunächst mal denke ich nicht, dass es eine objektive Realität oder eine wahre Welt oder irgendsowas gibt.


      das ist so einer der hauptgründe, die mich von vielen 'spirituellen' (mir fällt auf die schnelle kein besseres adjektiv dafür ein) weltanschauungen fernhalten.
      nicht weil ich es unbedingt für falsch halte (ist ja nicht falsifizierbar...) sondern weil man wenn man den ansatz konsequent weiterverfolgt zu einem ziemlich nihilistischen und meiner meinung nach völlig unbrauchbaren weltbild gelangt, in dem nichts mehr wirklich eine rolle spielt oder wichtig ist. mit sowas werd ich nicht warm.

      aber allgemein guter thread, props dafür :thumbup:

      WE GON TAKE OVER THE WORLD
      WHILE THESE HATERS GETTIN MAD
    • Allgemein glaube ich, dass unser Geist im Moment nur wenig genutzt wird verglichen zu dem, was vermutlich möglich wäre. Beispielsweise ist es ja nicht zu verleugnen, dass es "Wunderheilungen" gibt. Ich glaube weniger dass da irgendeine Macht am Werk ist als vielmehr der Fokus des eigenen Bewusstseins auf die Heilung gerade einer Krankheit. Ähnlich dazu stell ich mir Situationen vor, wo Menschen nach Erdbeben tagelang ohne Wasser unter Gebäuden überleben oder Bergsteiger in Schneestürmen, die von "Engeln" berichten, die sie begleitet und dadurch gerettet hätten, alles vom Bewusstsein hervorgebracht, um zu überleben.

      Sind jetzt natürlich Extrembeispiele, finde aber deshalb roflgrins Ansatz der Kontrolle sehr interessant.
      Let's Play: CK2, Patrizier 2, Anno 1800
    • roflgrins schrieb:

      Spoiler anzeigen
      Hmm, muss ich wohl doch erstmal was pfostieren. Ich bin kein Buddhist, finde deren Weltanschauung aber zu großen Teilen sehr schlüssig und orientiere mich daher auch recht stark daran. Also hier mein ungefähres Weltbild:

      Zunächst mal denke ich nicht, dass es eine objektive Realität oder eine wahre Welt oder irgendsowas gibt. Wie wir die Welt wahrnehmen, hängt hauptsächlich von uns selber ab und niemand kann wissen, wie jemand anderes ein und dieselbe Situation wahrnimmt. Daher ist es von größter Bedeutung, sich selbst bzw. eher seinen Verstand besser zu verstehen und sich dessen manipulativen Machenschaften bewusst zu werden. Dabei geht es vor allem um die quasi automatische Auswertung und Bewertung unserer durch die Sinne wahrgenommenen Eindrücke. Konventionell bekommen wir gute Laune wenn uns etwas gefällt und schlechte Laune wenn uns etwas missfällt. Wenn man sich von externen Eindrücken so stark beeinflussen lässt, besitzt man wenig Kontrolle über sich selbst. Der Sinn des Lebens liegt also darin, dieses Prinzip zunächst grundsätzlich zu realisieren und sich dann nach und nach immer weiter davon zu lösen. Während dieses Prozesses stellt man also z.B. fest, dass man zu jeder Zeit prinzipiell die Entscheidungsfreiheit darüber besitzt, wie man sich gerade fühlt.
      Wie sieht das ganze in der Praxis aus? Ganz einfach, ich schaue meinem Verstand beim Denken zu. So oft wie möglich, immer wenn ich gerade daran denke. Ich verstehe dabei wie bestimmte Gedanken zu bestimmten Gefühlen führen, wie einige Gedankengänge fast als feste Mechanismen immer und immer wieder kommen und merke immer mehr, wie ignorant und lächerlich der menschliche Verstand ist und somit meine Probleme alle selbstkreiert sind. Das ermuntert mich dazu, diese ständige Introspektion beizubehalten um mich nicht mehr so häufig durch zweifelhafte Schlüsse meines Verstandes leiten zu lassen, auch wenn es gerade jetzt am Anfang noch sehr viel Konzentration und Bequemlichkeitsüberwindung erfordert.
      Viele Leute sprechen mich auf die wohl bekanntesten buddhistischen Konzepte, Karma und Wiedergeburt, an. Ich finde, denen wird im Allgemeinen zu viel Bedeutung zugesprochen. Das erste Problem ist, dass man sie vermutlich niemals wirklich beweisen oder widerlegen können wird. Das stößt dann vielen Leuten sauer auf, die auf Grund dieser Glaubensproblematik auch sonst mit Religionen nicht so viel anfangen zu können. Außerdem kann man gerade beim Thema Karma jahrelang über irgendwelchen speziellen Fälle grübeln und versuchen, alles bis ins kleinste Detail auszudiskutieren. Das führt jedoch zu nichts. Ich halte es daher so, dass ich auf jeden Fall an den Teilen des Buddhismus, die ich konkret erfahren kann, festhalte, und je mehr Vertrauen ich darin entwickele, desto eher kann ich mich auch mit dem Rest anfreunden. Im Prinzip ist es ja auch egal, ob es Karma und Wiedergeburt wirklich so gibt wie beschrieben. Wichtig sind ja eher die Schlüsse, die im Allgemeinen daraus gezogen werden und dazu führen sollen, dass man sich "moralisch" verhält, also Liebe und Mitgefühl gegenüber allen anderen Lebewesen aufbringt (ohne dafür Gegenleistungen zu erwarten) und niemandem schadet. Also im Groben und Ganzen ungefähr das, was Perdita als "normalen Menschenverstand" bezeichnet hat.

      Um dann noch ein Level höher zu gehen: ich mag die Theorie eines "globalen Bewusstseins". Ich sehe mich konventionell als einen einzelnen Menschen an. Aber warum mach ich das so? Was trennt mich von allem anderen?Was ist denn ein "Ich"? Klar, es gibt da "meinen" Körper und "meinen" Verstand, etc, aber keine "meiner" einzelnen Komponenten könnte man sinnvoll als "Ich" beschreiben. Es gibt ja auch nicht irgendeinen oberen Boss oder so über mich. Es gibt keinen Teil des Gehirns, von dem aus alle Kontrollkraft ausgeht. Sowohl mein Körper als auch mein Geist existieren als Wechselwirkung zwischen verschiedenen Körperteilen oder Neuronen oder was auch immer. Konzeptionell unterscheide ich zwischen "mir" und "jemand anderem", aber im Prinzip ist das eine sehr willkürliche Einteilung. Daher hoffe ich, dass ich irgendwann an einen Punkt kommen kann, an dem ich diese Realisierung nicht mehr nur auf einer intellektuellen Ebene nachvollziehen kann, sondern mir ständig darüber bewusst bin, dass mein "Ich" etwas Konstruiertes ist und ich eigentlich genau wie jeder andere Teil eines großen Ganzen bin, dass also jegliche Abgrenzung zwischen Lebewesen überhaupt keinen Sinn ergibt. Dann wird auch der ganze Karmagedanke komplett irrelevant und alle moralischen Fragen lösen sich in Luft auf. Denn warum sollte ich jemandem schaden wollen, wenn ich gar nicht von ihm verschieden bin?

      Soviel also zur übergeordneten Sinnfrage. In der Praxis hab ich natürlich noch so einiges an Problemen. Bequemlichkeit, innerer Schweinehund, Egoismus, etc. sind allesamt nach wie vor stark vorhanden und ich habe extreme Probleme damit, von der Theorie auf die Praxis zu kommen. Außerdem liebäugele ich immer ein wenig mit eher nihilistischen Gedanken. Wenn es nur um meinen Geist geht, warum dann überhaupt jetzt schon über irgendetwas anderes caren? Was bockt mich Politik? Warum soll ich rausgehen und probieren die Welt zu retten solange ich selber noch so weit davon entfernt bin, mich vor mir selbst zu retten? Ist es überhaupt möglich, irgendetwas externes maßgeblich zu verändern, wenn doch meine eigene Wahrnehmung so stark von mir selber abhängt? Ich weiß, dass es auf all diese Fragen halbwegs zufriedenstellende Antworten gibt, aber trotzdem kommen sie immer wieder auf.


      Soweit erstmal als kleiner Startschuss. Ich hoffe ich habe eure Filzhüte ordentlich zum Glühen gebracht, bin gespannt.

      bzgl. "objektiver realität" sehe ich es ähnlich wie du, allerdings denke ich nicht, dass es etwas schlechtes ist sich von äußeren einflüsse lenken zu lassen.
      meines erachtens ist das einzige was man wirklich begreifen kann die eigene glücklichkeit/zufriedenheit, das einzige woran man richtig und falsch unterscheiden kann. empfinde somit auch reinen egoismus als die zielführendste einstellung, in dem sinne, dass man stets die eigene zufriedenheit als einzige entscheidunsgrundlage zulässt - die der anderen können wir ohnehin niemals richtig erfassen - und genau soviel um andere menschen cared wie es das eigene gewissen verlangt bzw. wie es der eigenen zufriedenheit dient.
      zentral im leben ist für mich daher die suche nach dem glück und gerade von spontanen gefühlen durchs leben treiben lassen sehe ich entgegen deiner meinung als absolut erstrebenswert an. "erleuchtung" ist für mich der zustand in dem man die kontrolle über sich selbst völlig verliert, also wenn man in die suche nach mehr zufriedenheit beenden kann; wenn man völlig zufrieden und glücklich ist, braucht man nicht über sich selbst nachzudenken, sagt mir sogar pseudo-empirie aus eigener erfahrung.

      das ist zumindest was ich anstrebe, aber, wie auch bei dir, läuft das im alltag nicht immer so und viel zu oft fühle ich mich von im grunde banalen hindernissen an die momentane situation gekettet. darüber bin ich mir immerhin schon bewusst und hoffe daher, dass ich das auch ändern kann, bin im moment aber auf sehr gutem wege denke ich :)
    • roflgrins schrieb:

      Um dann noch ein Level höher zu gehen: ich mag die Theorie eines "globalen Bewusstseins". Ich sehe mich konventionell als einen einzelnen Menschen an. Aber warum mach ich das so? Was trennt mich von allem anderen?Was ist denn ein "Ich"? Klar, es gibt da "meinen" Körper und "meinen" Verstand, etc, aber keine "meiner" einzelnen Komponenten könnte man sinnvoll als "Ich" beschreiben.

      Den Schluss verstehe ich nicht ganz. Ich würde das Ich als Gesamtheit dieser Komponenten definieren.


      Zum Startpost meine Sicht im tl;dr Stil:

      Seht ihr in diesem Leben einen Sinn? - Im Kern: eigene Kinder gut aufzuziehen.

      Glaubt ihr an irgendetwas? - Kurz: Nein. Ich glaube es gibt keinen Gott und ich glaube, dass mit dem Tod einfach Schluss ist. Ich glaube nicht an Karma, aber daran wünschenswerte Verhaltensweisen vorzuleben.

      Bietet die Wissenschaft die Antwort auf alle Fragen? - Nein. Ich glaube es gibt Dinge, die den menschlichen Verstand und seine Vorstellungskraft übersteigen. Zum Beispiel die Entstehung des Universums, bzw. besser gesagt, die Frage nach dem Anfang.

      Wie seht ihr heutzutage das Thema Religion? - Mittlerweile ist Religion weitestgehend redundant geworden. Sie entstand meiner Ansicht nach immer aus der Sinnfrage, Unwissenheit und/oder der damit verbundenen Möglichkeit Macht zu erlangen. Ich finde es dennoch schön, dass nach wie vor viele Menschen von ihrem Glauben auf die eine oder andere Weise profitieren.
      Nebenbei gesagt lehne ich es ab, in der Schule einzelne Fächer für verschiedene Religionen zu unterrichten. Sinnvoll finde ich ein Fach wie Ethik, in dem dann alle großen Religionen gleichermaßen behandelt werden.
      I am in extraordinary shape, but I do not think I could survive a bullet in the head.
    • Interessanter Thread. Ich will eigentich schon seit Jahren meine Gedanken sammeln und aufschreiben; machs dann doch leider (aus Faulheit?) nie. Daher hüte ich mich jetzt davor so mir nichts dir nichts was zu posten. Nur soviel: Überhaupt nicht religiös erzogen worden habe ich (wahrscheinlich durch den Schulunterricht im Nachhinein gesehen) mich immer als protestanisch-christlich eingestuft - allerdings nie den kollektiven Glauben interessant gefunden (viel radikaler, ich für mich persönlich verneine ihn total. Bin auch nicht konfirmiert), Glauben war für mich immer schon (Beginn so ~9Jahren) sehr individuell und dort muss nicht "von außen" jemand beeinflusst werden (wurde ich natürlich trotzdem durch den Schulunterricht ;)).
      Interessanterweise ändert sich diese Sichtweise seit 2-3 Jahren und schwankt über zum Buddhismus und Nihilismus (so dumm sich das lesen mag). Bin mir selber nicht so sicher, woran das überhaupt liegt. Daran arbeite ich unter anderem zur Zeit. Ich weiß aufjedenfall, dass ich (leider) ein wenig naiv/gutgläubig in manchen Dingen bin und kann mir gut vorstellen, dass meine konsumierte Musik in gewisser Hinsicht (ob positiv oder negativ sei dahingestellt) dazu beiträgt.

      Heinrich von Kleist schrieb:

      [...] [D]u hast an mir getan, [...] was in Kräften [...] eines Menschen stand, um mich zu retten: Die Wahrheit ist, daß mich auf Erden nicht zu helfen war.
    • Bei mir war es so, dass ich eigentlich schon relativ religiös erzogen wurde, aber nie ultra-radikal, sondern eher liberal-christlich, wobei sich das bei mir dann komplett zerschlagen hat, als mein Cousin als Kleinkind verstorben ist. Hat mich jetzt im nachhinein gesehen doch deutlich mehr mitgenommen, als ich damals oder auch in der Zeit danach gedacht habe.
      In den folgenden drei-vier Jahren war bei mir dann außer Abneigung überhaupt nichts mehr gegenüber Religionen vorhanden und ich habe mich komplett vom Glauben etc. abgewandt.
      Richtig zum Glauben zurückgefunden habe ich dann so um meinen 18. Geburtstag, also Mitte-Ende 2011. Durch den Religionsunterricht, der in der Oberstufe dank dem Lehrer extrem gut, informativ und spannend war, und den Wandel in meinem Musikkonsum (vom HipHop zum Metalcore und da v.a. auch hin zum Christian Metalcore und Bands wie For Today und August Burns Red) habe ich mich wieder deutlich mehr mit meiner Religion und auch der Bibel beschäftigt und so für mich meinen Glauben gefestigt. Seit dem würde ich mich schon als gläubiger Christ einordnen und versuche auch möglichst gut diese Werte wie Nächstenliebe und Verantwortung in der Gemeinschaft zu leben. Ich bin aber ausdrücklich _NICHT_ der Meinung, das meine Religion die vollkommene Wahrheit für sich gepachtet hat und alle anderen Religionen, überspitzt dargestellt, wertlos sind, sondern bin vielmehr der Meinung, dass es überall die Wahrheit gibt und jede Weltanschauung nur einen Aspekt oder einen Bruchteil besitzt.

      Inzwischen ist das alles extrem wichtig für mich und hilft mir auch meine mentalen Probleme in den Griff zu bekommen und verschiedene Ereignisse in meinem Leben zu bewältigen (in den letzten zwei Jahren ist ein ehemaliger Schulkollege von mir, mit dem ich 11 Jahre in einer Klasse war an Krebs gestorben und im letzten Juli ist einer meiner Brudis aus dem aller innersten circle genau drei Wochen nach seinem 20. Geburtstag tödlich verunglückt, was mich alles ziemlich runtergezogen hat).

      Meine 2 Pfennig und gude.
    • ardet4 schrieb:

      roflgrins schrieb:

      Um dann noch ein Level höher zu gehen: ich mag die Theorie eines "globalen Bewusstseins". Ich sehe mich konventionell als einen einzelnen Menschen an. Aber warum mach ich das so? Was trennt mich von allem anderen?Was ist denn ein "Ich"? Klar, es gibt da "meinen" Körper und "meinen" Verstand, etc, aber keine "meiner" einzelnen Komponenten könnte man sinnvoll als "Ich" beschreiben.

      Den Schluss verstehe ich nicht ganz. Ich würde das Ich als Gesamtheit dieser Komponenten definieren.

      Was bewegt dich denn dazu? Klar, im Alltag ist diese Definition häufig ganz sinnvoll, aber wenn man mal genauer darüber nachdenkt, wirft sie haufenweise Problematiken auf.

      Du definierst also dein Ich als Gesamtheit deiner körperlichen und geistigen Komponenten. Was passiert nun, wenn auf einmal eine davon fehlt? Nehmen wir an, du verlierst bei nem Unfall deine Beine. Was ist jetzt mit deinem Ich passiert? Ist es dein vorheriges Ich minus deine Beine? Wenn nein, was dann? Wenn ja, warum? Wenn die Beine anscheinend nicht wichtig sind und es dein Ich auch ohne sie noch gibt, warum hast du sie dann überhaupt anfangs in die Definition mit eingeschlossen? Und was ist eigentlich mit deinen Beinen, wenn sie abgetrennt sind? Bilden sie jetzt ein neues Ich? Siehst du sie immer noch als "deine" Beine? Warum? Warum nicht?
      Das reicht vermutlich schon aus, um den ein oder anderen Widerspruch aufkommen zu lassen, aber man kann natürlich noch viel weiter gehen. Wenn nach und nach weiterhin Körperteile und Komponenten des Gehirns weggenommen werden, muss es doch irgendwann einen Punkt geben, an dem du den verbleibenden Rest auf jeden Fall nicht mehr als Ich ansiehst, oder? Wo setzt du diesen Punkt an? Warum genau dort?
      Und schließlich kann man angeknüpft mit der Frage nach dem Status der abgetrennten Beine auch noch in die andere Richtung gehen. Warum beschränkst du dein Ich auf Körper und Geist? Warum zählst du deine Freundin nicht mit zu deinem Ich? Oder dein Handy? Dein Auto? Deinen Job? Gibt es da wirklich einen substantiellen Unterschied zu den Körperteilen? Wenn ja, warum?

      Ich denke nicht, dass die gängige, konventionelle Definition des Ichs einer genaueren Untersuchung standhält. Es wird teilweise aus praktischen, teilweise aus traditionellen Gründen zwischen einem Ich und einem Rest der Welt abgegrenzt, aber im Grunde ist diese Abgrenzung willkürlich. Durch "Ich" und "Du" entsteht "mein" und "dein" und damit die Grundlage aller Probleme auf der Welt. Klingt erstmal viel zu idealistisch und weltfremd weil so ziemlich alle unsere Grundsätze und Sichtweisen davon abhängen und mehr als ein intellektues Verständnis dieser Tatsache besitze ich bisher wie gesagt auch nicht, aber wenn man sich die Zeit nimmt und mit etwas Abstand von seinen ursprünglichen Ansichten an die Sache geht, kann ich mir nicht vorstellen, wie man dem widersprechen sollte.


      elephantTalk schrieb:

      roflgrins schrieb:

      Spoiler anzeigen
      Hmm, muss ich wohl doch erstmal was pfostieren. Ich bin kein Buddhist, finde deren Weltanschauung aber zu großen Teilen sehr schlüssig und orientiere mich daher auch recht stark daran. Also hier mein ungefähres Weltbild:

      Zunächst mal denke ich nicht, dass es eine objektive Realität oder eine wahre Welt oder irgendsowas gibt. Wie wir die Welt wahrnehmen, hängt hauptsächlich von uns selber ab und niemand kann wissen, wie jemand anderes ein und dieselbe Situation wahrnimmt. Daher ist es von größter Bedeutung, sich selbst bzw. eher seinen Verstand besser zu verstehen und sich dessen manipulativen Machenschaften bewusst zu werden. Dabei geht es vor allem um die quasi automatische Auswertung und Bewertung unserer durch die Sinne wahrgenommenen Eindrücke. Konventionell bekommen wir gute Laune wenn uns etwas gefällt und schlechte Laune wenn uns etwas missfällt. Wenn man sich von externen Eindrücken so stark beeinflussen lässt, besitzt man wenig Kontrolle über sich selbst. Der Sinn des Lebens liegt also darin, dieses Prinzip zunächst grundsätzlich zu realisieren und sich dann nach und nach immer weiter davon zu lösen. Während dieses Prozesses stellt man also z.B. fest, dass man zu jeder Zeit prinzipiell die Entscheidungsfreiheit darüber besitzt, wie man sich gerade fühlt.
      Wie sieht das ganze in der Praxis aus? Ganz einfach, ich schaue meinem Verstand beim Denken zu. So oft wie möglich, immer wenn ich gerade daran denke. Ich verstehe dabei wie bestimmte Gedanken zu bestimmten Gefühlen führen, wie einige Gedankengänge fast als feste Mechanismen immer und immer wieder kommen und merke immer mehr, wie ignorant und lächerlich der menschliche Verstand ist und somit meine Probleme alle selbstkreiert sind. Das ermuntert mich dazu, diese ständige Introspektion beizubehalten um mich nicht mehr so häufig durch zweifelhafte Schlüsse meines Verstandes leiten zu lassen, auch wenn es gerade jetzt am Anfang noch sehr viel Konzentration und Bequemlichkeitsüberwindung erfordert.
      Viele Leute sprechen mich auf die wohl bekanntesten buddhistischen Konzepte, Karma und Wiedergeburt, an. Ich finde, denen wird im Allgemeinen zu viel Bedeutung zugesprochen. Das erste Problem ist, dass man sie vermutlich niemals wirklich beweisen oder widerlegen können wird. Das stößt dann vielen Leuten sauer auf, die auf Grund dieser Glaubensproblematik auch sonst mit Religionen nicht so viel anfangen zu können. Außerdem kann man gerade beim Thema Karma jahrelang über irgendwelchen speziellen Fälle grübeln und versuchen, alles bis ins kleinste Detail auszudiskutieren. Das führt jedoch zu nichts. Ich halte es daher so, dass ich auf jeden Fall an den Teilen des Buddhismus, die ich konkret erfahren kann, festhalte, und je mehr Vertrauen ich darin entwickele, desto eher kann ich mich auch mit dem Rest anfreunden. Im Prinzip ist es ja auch egal, ob es Karma und Wiedergeburt wirklich so gibt wie beschrieben. Wichtig sind ja eher die Schlüsse, die im Allgemeinen daraus gezogen werden und dazu führen sollen, dass man sich "moralisch" verhält, also Liebe und Mitgefühl gegenüber allen anderen Lebewesen aufbringt (ohne dafür Gegenleistungen zu erwarten) und niemandem schadet. Also im Groben und Ganzen ungefähr das, was Perdita als "normalen Menschenverstand" bezeichnet hat.

      Um dann noch ein Level höher zu gehen: ich mag die Theorie eines "globalen Bewusstseins". Ich sehe mich konventionell als einen einzelnen Menschen an. Aber warum mach ich das so? Was trennt mich von allem anderen?Was ist denn ein "Ich"? Klar, es gibt da "meinen" Körper und "meinen" Verstand, etc, aber keine "meiner" einzelnen Komponenten könnte man sinnvoll als "Ich" beschreiben. Es gibt ja auch nicht irgendeinen oberen Boss oder so über mich. Es gibt keinen Teil des Gehirns, von dem aus alle Kontrollkraft ausgeht. Sowohl mein Körper als auch mein Geist existieren als Wechselwirkung zwischen verschiedenen Körperteilen oder Neuronen oder was auch immer. Konzeptionell unterscheide ich zwischen "mir" und "jemand anderem", aber im Prinzip ist das eine sehr willkürliche Einteilung. Daher hoffe ich, dass ich irgendwann an einen Punkt kommen kann, an dem ich diese Realisierung nicht mehr nur auf einer intellektuellen Ebene nachvollziehen kann, sondern mir ständig darüber bewusst bin, dass mein "Ich" etwas Konstruiertes ist und ich eigentlich genau wie jeder andere Teil eines großen Ganzen bin, dass also jegliche Abgrenzung zwischen Lebewesen überhaupt keinen Sinn ergibt. Dann wird auch der ganze Karmagedanke komplett irrelevant und alle moralischen Fragen lösen sich in Luft auf. Denn warum sollte ich jemandem schaden wollen, wenn ich gar nicht von ihm verschieden bin?

      Soviel also zur übergeordneten Sinnfrage. In der Praxis hab ich natürlich noch so einiges an Problemen. Bequemlichkeit, innerer Schweinehund, Egoismus, etc. sind allesamt nach wie vor stark vorhanden und ich habe extreme Probleme damit, von der Theorie auf die Praxis zu kommen. Außerdem liebäugele ich immer ein wenig mit eher nihilistischen Gedanken. Wenn es nur um meinen Geist geht, warum dann überhaupt jetzt schon über irgendetwas anderes caren? Was bockt mich Politik? Warum soll ich rausgehen und probieren die Welt zu retten solange ich selber noch so weit davon entfernt bin, mich vor mir selbst zu retten? Ist es überhaupt möglich, irgendetwas externes maßgeblich zu verändern, wenn doch meine eigene Wahrnehmung so stark von mir selber abhängt? Ich weiß, dass es auf all diese Fragen halbwegs zufriedenstellende Antworten gibt, aber trotzdem kommen sie immer wieder auf.


      Soweit erstmal als kleiner Startschuss. Ich hoffe ich habe eure Filzhüte ordentlich zum Glühen gebracht, bin gespannt.

      bzgl. "objektiver realität" sehe ich es ähnlich wie du, allerdings denke ich nicht, dass es etwas schlechtes ist sich von äußeren einflüsse lenken zu lassen.
      meines erachtens ist das einzige was man wirklich begreifen kann die eigene glücklichkeit/zufriedenheit, das einzige woran man richtig und falsch unterscheiden kann. empfinde somit auch reinen egoismus als die zielführendste einstellung, in dem sinne, dass man stets die eigene zufriedenheit als einzige entscheidunsgrundlage zulässt - die der anderen können wir ohnehin niemals richtig erfassen - und genau soviel um andere menschen cared wie es das eigene gewissen verlangt bzw. wie es der eigenen zufriedenheit dient.
      zentral im leben ist für mich daher die suche nach dem glück und gerade von spontanen gefühlen durchs leben treiben lassen sehe ich entgegen deiner meinung als absolut erstrebenswert an. "erleuchtung" ist für mich der zustand in dem man die kontrolle über sich selbst völlig verliert, also wenn man in die suche nach mehr zufriedenheit beenden kann; wenn man völlig zufrieden und glücklich ist, braucht man nicht über sich selbst nachzudenken, sagt mir sogar pseudo-empirie aus eigener erfahrung.

      das ist zumindest was ich anstrebe, aber, wie auch bei dir, läuft das im alltag nicht immer so und viel zu oft fühle ich mich von im grunde banalen hindernissen an die momentane situation gekettet. darüber bin ich mir immerhin schon bewusst und hoffe daher, dass ich das auch ändern kann, bin im moment aber auf sehr gutem wege denke ich :)

      Genau wie vor ner Weile im Outerthread scheinst du mir in vielen Teilen zu widersprechen. Tust du aber eigentlich gar nicht, vom Egoismusgedanken mal abgesehen (warum ich da nicht zustimmen kann sollte ja nach dem ersten Teil des Posts klar sein). Sich von äußeren Einflüssen lenken zu lassen ist kein Problem. Problematisch wird es, wenn man sich von Gedankenprozessen, welche auf äußere Einflüsse folgen, lenken lässt. Deine Beschreibung der Erleuchtung finde ich demnach auch sehr gut. Das Ziel durch meine angesprochene ständige Introspektion ist es ja nicht, seinen Verstand durch Gedankenkonstrukte zu formalisieren oder sowas. Das Ziel ist es, die Trugschlüsse all deiner inneren Stimmen aufzudecken um dich irgendwann komplett von ihnen lösen zu können. Also die Fähigkeit zu erlangen, nur noch dann zu denken, wenn man den Verstand gerade als Werkzeug für irgendeine Tätigkeit benutzen möchte, anstatt permanent von irgendwelchen Gedanken heimgesucht zu werden. Und damit kommt eben gerade auch die von dir angesprochene komplette Spontaneität, weil der automatisierte Zwischenschritt des Überdenkens und des Zweifelns entfällt. Das ist dann nach meinem Verständnis auch im buddhistischen Sinne die Erleuchtung.
    • roflgrins schrieb:

      Spoiler anzeigen

      ardet4 schrieb:

      roflgrins schrieb:

      Um dann noch ein Level höher zu gehen: ich mag die Theorie eines "globalen Bewusstseins". Ich sehe mich konventionell als einen einzelnen Menschen an. Aber warum mach ich das so? Was trennt mich von allem anderen?Was ist denn ein "Ich"? Klar, es gibt da "meinen" Körper und "meinen" Verstand, etc, aber keine "meiner" einzelnen Komponenten könnte man sinnvoll als "Ich" beschreiben.

      Den Schluss verstehe ich nicht ganz. Ich würde das Ich als Gesamtheit dieser Komponenten definieren.

      Was bewegt dich denn dazu? Klar, im Alltag ist diese Definition häufig ganz sinnvoll, aber wenn man mal genauer darüber nachdenkt, wirft sie haufenweise Problematiken auf.

      Du definierst also dein Ich als Gesamtheit deiner körperlichen und geistigen Komponenten. Was passiert nun, wenn auf einmal eine davon fehlt? Nehmen wir an, du verlierst bei nem Unfall deine Beine. Was ist jetzt mit deinem Ich passiert? Ist es dein vorheriges Ich minus deine Beine? Wenn nein, was dann? Wenn ja, warum? Wenn die Beine anscheinend nicht wichtig sind und es dein Ich auch ohne sie noch gibt, warum hast du sie dann überhaupt anfangs in die Definition mit eingeschlossen? Und was ist eigentlich mit deinen Beinen, wenn sie abgetrennt sind? Bilden sie jetzt ein neues Ich? Siehst du sie immer noch als "deine" Beine? Warum? Warum nicht?
      Das reicht vermutlich schon aus, um den ein oder anderen Widerspruch aufkommen zu lassen, aber man kann natürlich noch viel weiter gehen. Wenn nach und nach weiterhin Körperteile und Komponenten des Gehirns weggenommen werden, muss es doch irgendwann einen Punkt geben, an dem du den verbleibenden Rest auf jeden Fall nicht mehr als Ich ansiehst, oder? Wo setzt du diesen Punkt an? Warum genau dort?
      Und schließlich kann man angeknüpft mit der Frage nach dem Status der abgetrennten Beine auch noch in die andere Richtung gehen. Warum beschränkst du dein Ich auf Körper und Geist? Warum zählst du deine Freundin nicht mit zu deinem Ich? Oder dein Handy? Dein Auto? Deinen Job? Gibt es da wirklich einen substantiellen Unterschied zu den Körperteilen? Wenn ja, warum?

      Ich denke nicht, dass die gängige, konventionelle Definition des Ichs einer genaueren Untersuchung standhält. Es wird teilweise aus praktischen, teilweise aus traditionellen Gründen zwischen einem Ich und einem Rest der Welt abgegrenzt, aber im Grunde ist diese Abgrenzung willkürlich. Durch "Ich" und "Du" entsteht "mein" und "dein" und damit die Grundlage aller Probleme auf der Welt. Klingt erstmal viel zu idealistisch und weltfremd weil so ziemlich alle unsere Grundsätze und Sichtweisen davon abhängen und mehr als ein intellektues Verständnis dieser Tatsache besitze ich bisher wie gesagt auch nicht, aber wenn man sich die Zeit nimmt und mit etwas Abstand von seinen ursprünglichen Ansichten an die Sache geht, kann ich mir nicht vorstellen, wie man dem widersprechen sollte.

      Ich sehe das im Kern sehr wissenschaftlich: Ich bin ein Körper mit einem Gehirn. Alle meine Gedanken und Handlungen sind das Produkt von biochemischen Botenstoffen und Reaktionen. Das beinhaltet ein Bewusstsein. Die Unterscheidung von anderen ist zu einem Teil genetisch, zum anderen durch äußere Umstände (vor allem Erziehung und Umfeld) bedingt. Damit ist sowohl mein Körper, als auch mein "Geist" in ständiger Veränderung. Verliere ich heute ein Bein, bin ich ab morgen eben Holzbein-Joe Max.

      Meine Freundin und mein Job spiegeln mein Ich sehr stark wieder, sind aber beide kein Teil von mir. Um das spontan zu definieren, sind sie nicht so mit meinem Gehirn verbunden, wie es mein Körper ist.
      I am in extraordinary shape, but I do not think I could survive a bullet in the head.
    • Interessanter Thread. Ich fühle mich mal angehalten meine Gedanken zu äußern ;)

      Generell muss ich sagen, dass ich eigentlich die Herkunft des Lebens/des Wesens nicht verstehe. Ich bin zwar generell anti-religiös eingestellt, das liegt allerdings weniger an deren Glaubensgrundsätzen, als an deren Ausprägungen / Alleinmachtanspruch. Deswegen fand ich auch immer den ganzen Kreationismus relative albern und war dann irgendwann der festen Überzeugung, dass Wissenschaft die Antwort sein muss. Nach diversen Bemühungen, den Urknall zu verstehen, und versuchen, die Stephen-Hawkings-Kinderbücher ala "Universum in einer Nussschale" zu verstehen, musste ich allerdings dann einsehen, dass für meinen beschränkten Intellekt die Gott-Person genausounverständlich ist wie der wissenschaftliche Ansatz.
      Seitdem ich dann für mich einsehen musste, dass ich auf keener Grundlage aufbauen kann, lebe ich einfach so für mich her und nehme mir für meinen ganz eigenen Way-of-life die Dinge, die ich für sinnvoll erachte.
      Den Begriff Karma find ich nnicht so toll, weil das Leben danach auch irgendwie durch Ablass-Tasten erleichtert wird (nachdem ich in Thailand gesehen habe, wieviele der Leute da eigentlich an den religiösen Grundsätzen vorbeileben, und dann durch Spenden jeglicher Art die schlechten Taten wieder reinwaschen können).
      Die Idee, generell Gutes zu tun, finde ich wiederum spitze. Dafür brauch ich keinen Gegenwert oder die Vorstellung einer Wiedergeburt, ich versuche Gutes zu tun, damit es anderen auch gut geht. Seitdem ich in einem festen Job bin, versuche ich auch mit meinem bisschen Einkommen anderen Leuten zu helfen (auch wenn es jetzt großzügiger klingt als es ist). Will jemand zum Konzert und kann sich keine Karte leisten? Ich kauf halt beide. Mein Kumpel kann mich nicht in Berlin besuchen, weil er ewig nichtmewhr hier war? Ach komm, ich bezahl Zug, Kost und Logie. Dadurch fühl ich mich gut.
      Andererseits habe ich eben erleben müssen, dass viele mich aufgrund meiner Naivität gnadenlos ausnutzen. Letztlich ist das zwar scheiße, aber ich möchte nie nie nie so abstumpfen, dass ich an meinem Grundsatz - teile, wenn du kannst - ablassen würde. Ich erwarte wie gesagt keinen Gegenwert davon, sondern will einfach das was ich habe teilen.
      Daraus resultiert dann auch meine Einstellung, die nichtmal mit Fakten untermauert sein muss, zu Themen wie Flüchtlingspolitik o.ä.
      Mir gehts gut, mir gehts sogar sehr gut, und dafür kann ich eigentlich nicht viel (außer ein bisschen arbeiten), also sollen doch die, die arme Schweine sind, etwas von mir haben.
      Aber diese Erfahrung und Lebeneinstellung kann ich eben nur haben, weil ich im Großen und ganzen gute Erfahrungen gemacht habe. Andere, die andere Erfahrungen haben, finde diese Einstellung sicher lächerlich und pervers naiv.

      Christentumszeug: Finde ich auch furchtbar interessant, auch wenn ich nicht daran glaube. Dieser eigentliche Grundsatz der abhramatischen Religion "Lebe so, wie du von aneren behandelt warden willst", der sich ja letztlich auch bei Kant u.a. wiederfindet, ist einfach bombenstark.
      Nur funktioniert dass eben auf diversen Machtansprüchen vereinzelter Personen nicht.
      Die Regeln, die aufgestellt wurden, sind (mal abgesehen mit dem "ich bin der einzige Gott") eigentlich selbstverständlich. Würde sich jeder daran halten, wär die Welt irgendwie ein besserer Ort.
      Trotzdem ich weiß, dass nicht alle danach leben wollen, weil sie andere, individuelle Ziele verfolgen, versuche ich möglichst danach zu leben.
      Letztlich, und dass ist das, woran mein ganzer Lebensstil eigentlich verkettet ist, ist:
      "Werde jeden Tag ein bisschen besser und orientiere dich an denen, die besser sind als du, nicht an denen, die schlechter sind".

      #uff...Textwall. Vielleicht interessiert es aber jemanden ;)


      HumanlyPuma schrieb:

      junge leg dir ne hantel ins büro oder geh kegeln
    • Ist sicher keine bahnbrechend neue Aussage, aber seit mein Sohn auf der Welt ist sehe ich es als meine Lebensaufgabe an, dass es ihm immer und überall bestmöglich geht und er ein schönes Aufwachsen + Gesamtleben erfährt. Das würde mich so tiefgehend glücklich machen, dass alles unmittelbar Selbstbezogene hinten anstellen würde.

      Ich hoffe, dass sich diese Einstellung im Laufe des Lebens nicht grundlegend verändern wird. Das ist eigentlich alles, was ich mir aktuell und übergeordnet wünschen würde.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von ninjo ()

      Leben so.
    • Ich hab die Tage beim Prokrastinieren einen Blogpost übers Prokrastinieren gefunden und bin über relatierte Posts auf einige Sachen gestoßen, die hier ganz gut reinpassen. Der Typ hat soweit ich weiß wenig bis gar nichts mit dem Buddhismus am Hut und er schreibt komplett anders als ich es tue, aber der Inhalt ist erstaunlich ähnlich. Also wer z.B. grundsätzlich interessiert ist, aber meine Ansicht für ein wenig weit her geholt oder zu theoretisch hält, könnte mal reinschauen. Ist natürlich auch alles nichts bahnbrechend Neues, aber ich war (mal wieder) erstaunt darüber, dass mir diese Themen mittlerweile überall begegnen.

      Hier geht es grob gesagt um das "aktive Bewusstsein", welches ich immer propagiere und dessen Nutzen. Das ganze wird ziemlich anschaulich, teilweise fast schon ein wenig kindlich, beschrieben. Gegen Ende wird außerdem über eine Art Erleuchtung durch die Erkenntnis der Ausmaße von Zeit und Universum sowie der eigenen Zusammenwürflung aus Atomen geschrieben und schließlich die Bedeutung von "neuartiger" Religion in unserer modernen Zeit angeschnitten.

      In einem anderen Post wird erläutert, was der Haken daran ist, wenn man permanent irgendwelchen Zielen bzw. Zukunftsvisionen hinterher rennt. Relativ interessant fand ich auch den verlinkten TED Talk:
      From field studies to laboratory studies, we see that winning or losing an election, gaining or losing a romantic partner, getting or not getting a promotion, passing or not passing a college test, and on and on, have far less impact, less intensity, and much less duration than people expect them to have.

      Für mich ein weiteres Indiz dafür, dass es kein besonders zielführendes Unterfahren ist, hauptsächlich durch externe Dinge zum Glück finden zu wollen.


      Und dann nochmal zu der Sache mit dem Ich: What Makes You You?
      Wiederum zu großen Teilen ganz andere Gedankengänge als meine eigenen. Manche Stellen fand ich ein bisschen fragwürdig, aber im Großen und Ganzen wieder sehr interessant.

      Besteht da eigentlich für dich noch weiterer Klärungsbedarf, ardet? Ich kann deinen Standpunkt natürlich nachvollziehen, finde ihn aber persönlich nicht zufriedenstellend bzw. finde ich, dass man es sich damit zu einfach macht. Ich kann versuchen, meine Einwände nochmal anders zu formulieren, aber im Prinzip stehen die wichtigsten Punkte schon in meinem letzten Post und dann nochmal ein paar mehr in diesem Blogpost.
    • roflgrins schrieb:

      In einem anderen Post wird erläutert, was der Haken daran ist, wenn man permanent irgendwelchen Zielen bzw. Zukunftsvisionen hinterher rennt. Relativ interessant fand ich auch den verlinkten TED Talk:
      From field studies to laboratory studies, we see that winning or losing an election, gaining or losing a romantic partner, getting or not getting a promotion, passing or not passing a college test, and on and on, have far less impact, less intensity, and much less duration than people expect them to have.

      Für mich ein weiteres Indiz dafür, dass es kein besonders zielführendes Unterfahren ist, hauptsächlich durch externe Dinge zum Glück finden zu wollen.
      Habe es mir durchgelesen und mich natürlich zum Teil selbst in der Beschreibung erkannt. Ein einfaches Beispiel: Ich freue mich schon sehr auf das Update der Forensoftware und wie viel toller alles danach wird 8o Und natürlich habe ich viele andere Pläne und Ziele unabhängig von DotaSource. Im Gegensatz zu "Jack" bin ich aber auch sehr glücklich mit dem, was ich aktuell habe und schätze viele Dinge, welche ich durch Zufall oder durch zielstrebiges hinarbeiten mit der Zeit bekommen / erreicht habe. Kurzum sind also folgende Fragen aufgekommen:

      Ist es nach dieser Lebensphilosophie / Lebenseinstellung grundsätzlich verkehrt Ziele zu haben bzw. zu verfolgen?
      Ist es verkehrt sich auszumalen wie es ist, wenn das Ziel erreicht ist? Daraus zieht man (ich) häufig die Motivation weiterzumachen.
      Oder soll im Grunde nur darauf hingewiesen werden, dass man nicht nur an seinen Zielen hängen soll, sondern mehr auf die Gegenwart achten soll, aber durchaus Ziele haben kann? Dass man einen ausgewogenen Blick auf Gegenwart und Zukunft haben soll?