Outrages Weltgeschehen-Thread

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    • Terrorismus zu definieren ist ne schwierige Angelegenheit. Alex P. Schmid hat regelmäßig kritisiert, dass es allein im akademischen Umfeld buchstäblich hunderte verschiedene Definitionen davon gibt. Sein Versuch, das in eine "consensus definition" zu gießen geht so:

      Terrorism refers on the one hand to a doctrine about the presumed effectiveness of a special form or tactic of fear-generating, coercive political violence and, on the other hand, to a conspiratorial practice of calculated, demonstrative, direct violent action without legal or moral restraints, targeting mainly civilians and non-combatants, performed for its propagandistic and psychological effects on various audiences and conflict parties.

      (Schmid, Alex P. "The definition of terrorism." The Routledge Handbook of Terrorism Research. Routledge, 2011, p. 86, Fettungen im Original, meine Unterstreichung)

      Es ist, denke ich unstrittig, dass die Aktion sich nicht hauptsächlich gegen die Zivilbevölkerung gerichtet hat. Also nein, ich würds eher nicht Terrorismus nennen, auch wenn alle anderen Boxen sehr eindeutig gecheckt werden. Die Unterscheidung fällt aber natürlich extrem schwer, wenn die Trennlinie zwischen Zivilbevölkerung und Kombattanten so verschwommen verläuft, wie das im Falle von - wait for it - Terrororganisationen wie der Hisbollah (und natürlich auch der Hamas) der Fall ist. Und wie gesagt, auch diese Konsensdefinition ist ja alles andere als unbestritten (ich hab sie in meiner Diss auch verändern müssen).

      In gewisser Weise verkommt "Terrorismus" damit zum gleichen, worthülsigen Kampfbegriff wie "Faschist", "Gutmensch" oder "Wirtschaftsflüchtling". Ob's stimmt oder nicht macht im Grunde keinen Unterschied, weil das Wort ja ohnehin nur zur Unterstreichung der eigenen Ablehnung dient. Mir persönlich fällt zum nahen Osten inhaltlich schon lange nichts mehr ein, weil beide Seiten es einfach aufs nachhaltigste darauf anlegen, sich so unerträglich wie nur irgend möglich zu präsentieren.

      Dieser Beitrag wurde bereits 6 mal editiert, zuletzt von Rob ()

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      - Fas
    • Rob schrieb:

      In gewisser Weise verkommt "Terrorismus" damit zum gleichen, worthülsigen Kampfbegriff wie "Faschist", "Gutmensch" oder "Wirtschaftsflüchtling". Ob's stimmt oder nicht macht im Grunde keinen Unterschied, weil das Wort ja ohnehin nur zur Unterstreichung der eigenen Ablehnung dient. Mir persönlich fällt zum mittleren Osten inhaltlich schon lange nichts mehr ein, weil beide Seiten es einfach aufs nachhaltigste darauf anlegen, sich so unerträglich wie nur irgend möglich zu präsentieren.
      das fasst es glaube ich sehr gut zusammen. Ob es Terrorismus ist oder nicht ist glaube ich egal. Aber wir können glaube ich festhalten, dass es aus einer humanistischen Perspektive moralisch falsch ist, Raketen auf die israelischen Zivilbevölkerung zu schießen, als auch (sollten es die israelischen Geheimdienste gewesen seien) Pager von (potentiellen) Hisbollah Mitgliedern explodieren zu lassen.
    • Sorry, war für mich so offensichtlich Terrorismus, dass ich gar nicht dran gedacht habe, dass du das meinen könntest.

      Ich glaube nicht, dass Israel die Kinder (und alle anderen unschuldigen Opfer) gezielt angegriffen hat, nein. Die Opfer waren einfach komplett egal, aber das ist ja auch gar nicht ausschlaggebend dafür ob es Terrorismus ist oder nicht.

      Robs definition kann ich hier nicht zustimmen, wenn ISIS eine Bombe auf einer US Militärbasis zündet und damit Soldaten verletzen ist das auch Terrorismus imo. Nur weil Soldaten verletzt werden ist das keine legitime Kampfhandlung. Das trifft in diesem Fall halt eben auch auf Israel zu.
    • mpklaen schrieb:

      Aber wir können glaube ich festhalten, dass es aus einer humanistischen Perspektive moralisch falsch ist, [...] Pager von (potentiellen) Hisbollah Mitgliedern explodieren zu lassen.

      Ohne Begründungen finde ich solche Aussagen schwer nachvollziehbar. Warum ist das jetzt moralisch falsch Mitglieder einer Organisation anzugreifen, die einen selbst mit Raketen beschießt? Und was hat das mit Humanismus zu tun?


      Grimm schrieb:

      Robs definition kann ich hier nicht zustimmen, wenn ISIS eine Bombe auf einer US Militärbasis zündet und damit Soldaten verletzen ist das auch Terrorismus imo. Nur weil Soldaten verletzt werden ist das keine legitime Kampfhandlung. Das trifft in diesem Fall halt eben auch auf Israel zu.
      Was ist denn dann eine sinnvolle Definition? Es sollte ja schon irgendwie Terror (Angst und Schrecken) als primären Wirkungsmechanismus enthalten, oder nicht? Wenn man militärische Ziele angreift vermute ich da erst mal einen anderen beabsichtigten Mechanismus (Wer tot ist kann keine Raketen auf mich abschießen).

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von langbutter ()

    • Grimm schrieb:

      Ich glaube nicht, dass Israel die Kinder (und alle anderen unschuldigen Opfer) gezielt angegriffen hat, nein. Die Opfer waren einfach komplett egal, aber das ist ja auch gar nicht ausschlaggebend dafür ob es Terrorismus ist oder nicht.
      Wenn das für dich so ist, wirst du vermutlich eine Definition finden, die die hauptsächlich zivile Natur der Opfer ausklammert, aber für alle mir bekannten Definitionen ist das definitiv ein ausschlaggebendes Kriterium. Ich bin aber auch nur Literaturwissenschaftler und beileibe kein spezialisierter Terrorexperte, habe mich aber für ein Kapitel meiner Doktorarbeit recht intensiv damit befasst.

      Nur der Vollständigkeit halber: Wenn ISIS eine US-Militärbasis sprengt würde ich vermutlich von einer völkerrechtswidrigen Guerillaaktion sprechen. Nicht alle illegitimen Kampfhandlungen sind Terrorismus. Diese Haarspalterei bringt aber auch keinen weiter, ist eigentlich ein ziemlicher Nullpost von mir, sorry dafür.
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      - Fas
    • langbutter schrieb:

      mpklaen schrieb:

      Aber wir können glaube ich festhalten, dass es aus einer humanistischen Perspektive moralisch falsch ist, [...] Pager von (potentiellen) Hisbollah Mitgliedern explodieren zu lassen.
      Ohne Begründungen finde ich solche Aussagen schwer nachvollziehbar. Warum ist das jetzt moralisch falsch Mitglieder einer Organisation anzugreifen, die einen selbst mit Raketen beschießt? Und was hat das mit Humanismus zu tun?
      Stichwort ist hier Verhältnismäßigkeit. Selbstverständlich darf Israel sich, im Rahmen der international geltenden Gesetze, gegen Raketen Angriffe wehren. Wenn Israel diese Pager hochgejagt, weiß ich nicht ob es reicht, eine Tötung zu rechtfertigen, wenn man sich in der Nähe eines pagers der Hisbollah aufhält.

      Wäre es denn in Ordnung, wenn Russland dafür sorgt, dass alle ukrainischen Funkgeräte explodieren?
    • Rob schrieb:

      Grimm schrieb:

      Ich glaube nicht, dass Israel die Kinder (und alle anderen unschuldigen Opfer) gezielt angegriffen hat, nein. Die Opfer waren einfach komplett egal, aber das ist ja auch gar nicht ausschlaggebend dafür ob es Terrorismus ist oder nicht.
      Wenn das für dich so ist, wirst du vermutlich eine Definition finden, die die hauptsächlich zivile Natur der Opfer ausklammert, aber für alle mir bekannten Definitionen ist das definitiv ein ausschlaggebendes Kriterium. Ich bin aber auch nur Literaturwissenschaftler und beileibe kein spezialisierter Terrorexperte, habe mich aber für ein Kapitel meiner Doktorarbeit recht intensiv damit befasst.
      Nur der Vollständigkeit halber: Wenn ISIS eine US-Militärbasis sprengt würde ich vermutlich von einer völkerrechtswidrigen Guerillaaktion sprechen. Nicht alle illegitimen Kampfhandlungen sind Terrorismus. Diese Haarspalterei bringt aber auch keinen weiter, ist eigentlich ein ziemlicher Nullpost von mir, sorry dafür.
      Finde ich verrückt, aber wenn das der Konsens ist, dann ist mein Begriff von Terror definitiv falsch (oder zumindest bin ich damit in der deutlichen Minderheit). Finde es schon interessant, daher danke für deinen Beitrag :)

      OT: Die zweite Welle hat gehittet, diesmal waren es Walkie Talkies
    • Kurzer reminder das zwischendurch auch Menschen die sich orange gekleidet auf Straßen gesetzt haben als Terroristen bezeichnet wurden. Solche Begriffe sind mMn immer mit starken Emotionen verbunden und werden daher gerne instrumentalisiert. Die "Deutungshoheit" gibt es so nicht mehr. Früher war es ja leicht, schauen Sie doch einfach in den unfehlbaren und stets korrekten Duden oder gleich in die Bibel. Es geht politisch darum wie viele und welche Menschen in einem gewissen Kontext auf den Begriff "anspringen" und wie sie die damit verbundenen Bilder und Gefühle an andere Menschen weitergeben. Terroristen sind immer die bösen, Freiheitskämpfer oder so die guten. Das bleibt aber eine Frage der Perspektive, oder zumindest ist mir kein völlig neutrales Wertesystem bekannt.
      „Die meisten bekommen eine Meinung, wie man einen Schnupfen bekommt: durch Ansteckung.“
      Axel von Ambesser
    • Ich glaube, allein schon angesichts der Tatsache, dass die Hezbollah jeden Tag versucht, möglichst viele jüdische Menschen zu töten und zu diesem Zweck bereits tausende Raketen auf zivile Gebiete abgefeuert hat, die 50k Menschen zur Flucht gezwungen haben, ist diese Reaktion wohl mehr als gerechtfertigt.
      Das war wohl die effektivste Antiterroroperation gegen eine Organisation, deren PR-Strategie im Wesentlichen darauf basiert, sich in der Zivilbevölkerung zu verstecken und Raketen abzuschießen. Es gab wohl keinen Weg, der weniger zivile Opfer gefordert hätte.
      Natürlich kann man sich wie der größtmögliche in Sicherheit lebender westlicher smug aufführen, aber von dieser Fraktion hätte ich dann gerne mal einen brauchbaren Vorschlag, wie man mit gigantischen semistaatlichen Terrororganisationen umgehen sollte, die sich in den Kopf gesetzt haben die westliche Welt im Allgemeinen und die Juden im Besonderen mit allen ihren zur Verfügung stehenden Mitteln zu vernichten.
      Aber bis auf "but Israel/Netanyahu" kommt da dann nie irgendwas Sinnvolles.

      Ich will in diesem schönen Forum niemanden persönlich angehen, aber wenn man es bisher geschafft hat, zu jedem Terroranschlag der Hezbollah in den letzten 30 Jahren den Mund zu halten und dann mit der großen moralischen Keule kommen will, wenn Israel einen Antiterroreinsatz auf eine Art und Weise durchführt, der zivile Opfer extrem minimiert und die Explosionskörper literally die Kommunikationsmittel der Terroristen sind, darf man sich durchaus mal fragen, was hier Aktion und Reaktion ist, ob der eigene moralische Kompass noch irgendwie funktioniert und man sich nicht längst zum nützlichen Idioten für Terroristen und deren PR-Strategie gemacht hat.
      Der Krieg könnte übrigens längst zu Ende sein, wenn man alle Geiseln frei lässt, das Existenzrecht Israels anerkennt und folglich aufhört, jeden Tag Raketen auf Juden abzuschießen. Dann müsste Israel sich auch nicht mehr verteidigen, Jordanien und Ägypten haben es auch hinbekommen und überraschenderweise gibt es dort danach auch keine israelischen Militäreinsätze mehr.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Alex- ()

    • langbutter schrieb:

      Stimme dir in deiner Grundaussage schon zu. Du vergisst nur mal wieder dass Isreal auch nicht unschuldig an der Situation ist und in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart seinen eigenen Beitrag zum Unfrieden in der Region geleistet hat.
      Selbst wenn man diese Prämisse annimmt (was ich auf einem ca. 90/10) Level durchaus tue, so bleibt als Kriegsgrund bestehen, dass weite Teile der islamischen Welt Israels Existenzrecht nicht anerkennen und dementsprechend handeln.
      Solange sich dies nicht ändert, wird kein Frieden möglich sein.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Alex- ()

    • mpklaen schrieb:

      dass es aus einer humanistischen Perspektive moralisch falsch ist, Raketen auf die israelischen Zivilbevölkerung zu schießen, als auch (sollten es die israelischen Geheimdienste gewesen seien) Pager von (potentiellen) Hisbollah Mitgliedern explodieren zu lassen.
      Hier finde ich aber auch die "Opportunitätskosten" relevant:

      Ich vermute, hätte Israel diese Aktion so NICHT durchgeführt/ durchführen können, wäre die Alternative nicht "wir tun gar nichts und wahren Ruhe und warten mal ab", sondern eine andere Maßnahme, Bombardment, Artillerie, Reaper-Drohnen o.Ä.

      Ob das dann ohne tote Unschuldige bzw. mit nur geringer Zivil-Opferzahl gelaufen wäre, sehr fraglich. Also, dass die Israelis in deren Selbstwahrnehmung vor der Wahl stehen "dies oder nichts" halte ich für unrealistisch, vermutlich war deren Decision-Making eher "Diese Pager-Nummer" ODER mehr Einmarsch/Artilleriebeschuss. Und bei der Auswahl, so perfide es klingt, wenn unbeteiligte Kinder sterben, ist im relativen Vergleich diese Aktion geradezu "surgical strike" im Verhältnis zu dem, was da sonst so abgeht.


      Grimm schrieb:

      Robs definition kann ich hier nicht zustimmen, wenn ISIS eine Bombe auf einer US Militärbasis zündet und damit Soldaten verletzen ist das auch Terrorismus imo. Nur weil Soldaten verletzt werden ist das keine legitime Kampfhandlung. Das trifft in diesem Fall halt eben auch auf Israel zu.
      Illegitime Kampfhandlungen sind aber (halte mich jetzt an Robs Definition) ja noch kein Terrorismus. Ob es militärische Ziele sind oder eben nicht, oder ob es "möglichst vielen Unschuldigen schaden soll, bzw. dies alleiniger oder Hauptsächlicher Zweck ist" oder "unschuldige Opfer hingenommen werden, aber nicht Hauptziel oder Zweck der Tod dieser ist" halte ich hier schon für wirklich extrem zentrale Punkte der Unterscheidung, sowohl für die reale Lebenswirklichkeit und moralische-Einzelsituation-Entscheidungsfindung im Krieg, wie auch in der theoretischen Beschreibung/Abgrenzung ganz allgemein.
      Es ist doch was völlig anderes, ob ich so viele Unbeteiligte wie möglich ins Elend stürzen will, oder militärische Ziele ausschalten will und Verletzung Dritter notgedrungen noch mit hinnehme, weil mir auch nichts besseres einfällt.


      Noe schrieb:

      Das bleibt aber eine Frage der Perspektive, oder zumindest ist mir kein völlig neutrales Wertesystem bekannt.
      Wie man es darstellt/perspektiviert ja, das ist subjektiv, aber mit einer Definition gibt es doch schon ein "eher ja/eher nein" oder teils ein "definitiv ja/definitiv nein" was intersubjektiv ist.

      (erneut sei betont: Ich folge da jetzt mal der Angabe in Robs Post, bzw. der Definition wie er sie geteilt hat): Dann ist eindeutig weder eine Klima-Blockade noch die Pager-Aktion Terrorismus, 9/11 aber beispielsweise schon. Wirkt auf mich stimmig und eindeutig.
    • Also irgendwie ist es nicht mal so schlau. Militärschlag wird ja eh zumindest geplant. Was hätte dagegen gesprochen den Sprengsatz so klein zu machen, dass er ne kritische Lötstelle grillt, was im passenden Moment Kommunikation zerstört und Verwirrung stiftet.
      The verdict is not the end
      It is only the beginning
      Strong will shall keep spreading
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