argh, bin seit gestern übel krank, aber so viele dope beiträge hier:
mathematik ist ein problematisches fach, auch weil ich denke, dass zu viele mathelehrer total schlecht sind. ich hatte in meinem didaktikexamen eine übung mit einigen angehenden mathelehrern und kam auf mein leben nicht klar. die machen einen bekannten trick: studieren philosophie&germanistik oder so, und hängen dann als drittfach mathe/phsyik o.ä. an. und du kannst dann genau so die oberstufe unterrichten. die credits die du brauchst: analysis I, LA I, ana II oder LA II, und ein schein in Ana III, OR, Gew. Dgl, usw. das ist in zwei semestern studierbar und in meinen augen ein skandal. wie können diese lehrer denn überhaupt etwas vermitteln, wenn sie selber das integral oder wahrscheinlichkeit nicht verstanden haben? dann kann man es den SuS auch nicht übel nehmen, wenn sie eine antipathie bzgl mathe entwickeln.
@kommt drauf an bzgl deiner frage, ob es schlaue kinder gibt, die in mathe schlecht sind: auf jeden fall! hab ich alles in meinem praktikum gesehen. mädchen, 9te klasse, mathe ist ihr hassfach, schreibt schlechte noten in mathe, ABER spielt virtuos klavier und querflöte und kann auf der bühne improvisieren, hat ein wunderschönes deutsch und spricht wunderschönes englisch. die gibt's auf jeden fall (wobei man dir natürlich zustimmen muss, dass ne 6 in mathe oft auch schlechte noten anderswo impliziert).
zur jetzigen diskussion @ramius: ich stimme busfahrer zu. religionsunterricht jeglicher form abschaffen und von klasse 5-13 5 mal die woche ethik. im ethikunterricht werden dann alle weltreligionen gleichermaßen behandelt: vom christentum zum islam, zum hinduismus, zur sikh, zum schamanismus, zu den puritanern und den evangelikalen usw. nur so wird man auch toleranter dem anderen gegenüber, wenn man sich ernsthaft auf deren glauben einlässt und sich damit befasst.
einen kritikpunkt möchte ich vorwegnehmen: "wer würde das unterrichten?" ein einziger lehrer kann sowas vielleicht nicht. dann machen es verschiedene lehrer zusammen. dann kann man die kirchen/moscheen/synagogen in der nähe anfragen, ob ihre geistlichen mal in die schule kommen und über ihre religion sprechen. bin halt richtig traurig, als ich in meinem praktikum mit den türkischen jungs in einer klasse geredet habe, und die mir sagen, dass sie 3 mal die woche in die koranschule gehen. will dann eigentlich mit den eltern reden und sie fragen, was der fuck soll. die eltern wollen auch nicht, dass ihr vorbildlich muslimisch erzogenes kind irgendwas vom christentum lernt. heftig traurig, aber gab in meiner schule auch keinen einzigen lehrer, der sich da mal eingesetzt hat das zu ändern. beamtenlethargie vom feinsten halt.
aber der ethikunterricht umfasst dann noch viel mehr. staatentheorie (locke, hobbes, rousseau etc.) bis hin zu "was ist der mensch" und "was ist natur und was ist kunst" vom humanismus bis zur postmoderne. kenne kaum einen jungen menschen, der da keine lust drauf hat, wenn man einigermaßen ordentliche lehrkräfte hat.
@la* dowN bin vollkommen bei dir. die abstraktionsfähigkeit nicht nur implizit vermitteln, sondern explizit zum thema machen! ich hatte mir darüber mal gedanken gemacht, und man kann so viel in mathe machen. beispielsweise das zitat von Plato aus sechsten Buch des Staates:
"Du weißt ja wohl, die Leute, sie sich mit Geometrie, Rechnen und ähnlichem beschäftigen, bedienen sich dabei gewisser Voraussetzungen, wie der Geraden und Ungeraden, der Figuren, der drei Arten von Winkel und Verwandtes mehr; diese Voraussetzungen machen sie so, als ob sie darüber genau im klaren wären, . . . . . . .
Von da gehen sie aus und erreichen in weiterem Fortschritt folgerichtig ihr Ziel dort, wo sie es sich für ihre Untersuchung gesteckt haben.. . . .
Nun weiter ! Sie behelfen sich mit sichtbaren Figuren und untersuchen sie, denken aber dabei nicht an die Figuren, sondern an die Urbilder, denen sie gleichen; so untersuchen sie das Viereck an sich und seine Diagonale, aber nicht die gezeichnete, . . … Die Gebilde, die sie formen und zeichnen, . . ., diese gebrauchen sie nur als Abbilder und suchen die Urbilder an sich zu erkennen, die man nur durch das reine Denken erkennt."
Bild und Urbild, "Rechteck an sich", das sind maximalst dope konzepte. was genau macht die mathematik dann? das finde ich VIEL spannender und auch förderlicher, als ekelerregende übergangsmatrizen, bei denen ich schon kotzen muss, wenn ich sie nur sehe.
super zitat auch von einem meiner lieblingsdidaktiker, martin wagenschein:
Aus: Das exemplarische Lernen als fächerverbindendes Prinzip: der Satz des Pythagoras (1960); in Naturphänomene sehen und verstehen 1968
"Ich meine dabei aber . . . . . nicht das „Denken lernen“ überhaupt; das kann man auch anderswo lernen, etwa beim Übersetzen aus dem Lateinischen. Sondern ich meine, dass wir etwas spezifisch Mathematisches gelernt haben; etwas, was der Mathematik „überhaupt“ zukommt, und wofür der Beweis des „Pythagoras“ nur ein Beispiel war:
Wir haben gelernt, in welchem Sinne und Grade mathematische Wahrheiten gewiss sind.
Sie stehen nicht voneinander isoliert. Sie ruhen aufeinander, sie tragen einander sie stehen beisammen. Zuunterst liegt Unbeweisbares, Hinzunehmendes, Selbstverständliches. . . . .
Eine mathematische Wahrheit verstehen heißt einsehen, wie sie auf einer einfacheren ruht: Zum Beispiel der „Pythagoras“ auf dem Winkelsummensatz und auf dem Parallelenaxiom. Wer das Axiom anerkennt, kann die Folgen nicht abstreiten.
Das lokale, das primäre Staunen über „so etwas wie den Pythagoras“ weicht dem höheren Staunen darüber, dass es so einen Zusammenhang „gibt“.. . .
Diese Einsicht betrifft das Ganze der Mathematik. Wer sie am „Pythagoras“ begriffen hat, der hat etwas begriffen, was mehr ist als der Pythagoras. Und zwar nicht noch so etwas wie er ist, sondern etwas Übergeordnetes. Das Ganze, ohne dass es inhaltlich zu durchlaufen werden braucht, „spiegelt sich“ also in diesem Einzelnen. Diese Einsicht in das Aufeinanderruhen der mathematischen Wahrheiten ist ein „Funktionsziel“ des mathematischen Unterrichts."
ich denke das ist genau das was du meinst?
mathematik ist ein problematisches fach, auch weil ich denke, dass zu viele mathelehrer total schlecht sind. ich hatte in meinem didaktikexamen eine übung mit einigen angehenden mathelehrern und kam auf mein leben nicht klar. die machen einen bekannten trick: studieren philosophie&germanistik oder so, und hängen dann als drittfach mathe/phsyik o.ä. an. und du kannst dann genau so die oberstufe unterrichten. die credits die du brauchst: analysis I, LA I, ana II oder LA II, und ein schein in Ana III, OR, Gew. Dgl, usw. das ist in zwei semestern studierbar und in meinen augen ein skandal. wie können diese lehrer denn überhaupt etwas vermitteln, wenn sie selber das integral oder wahrscheinlichkeit nicht verstanden haben? dann kann man es den SuS auch nicht übel nehmen, wenn sie eine antipathie bzgl mathe entwickeln.
@kommt drauf an bzgl deiner frage, ob es schlaue kinder gibt, die in mathe schlecht sind: auf jeden fall! hab ich alles in meinem praktikum gesehen. mädchen, 9te klasse, mathe ist ihr hassfach, schreibt schlechte noten in mathe, ABER spielt virtuos klavier und querflöte und kann auf der bühne improvisieren, hat ein wunderschönes deutsch und spricht wunderschönes englisch. die gibt's auf jeden fall (wobei man dir natürlich zustimmen muss, dass ne 6 in mathe oft auch schlechte noten anderswo impliziert).
zur jetzigen diskussion @ramius: ich stimme busfahrer zu. religionsunterricht jeglicher form abschaffen und von klasse 5-13 5 mal die woche ethik. im ethikunterricht werden dann alle weltreligionen gleichermaßen behandelt: vom christentum zum islam, zum hinduismus, zur sikh, zum schamanismus, zu den puritanern und den evangelikalen usw. nur so wird man auch toleranter dem anderen gegenüber, wenn man sich ernsthaft auf deren glauben einlässt und sich damit befasst.
einen kritikpunkt möchte ich vorwegnehmen: "wer würde das unterrichten?" ein einziger lehrer kann sowas vielleicht nicht. dann machen es verschiedene lehrer zusammen. dann kann man die kirchen/moscheen/synagogen in der nähe anfragen, ob ihre geistlichen mal in die schule kommen und über ihre religion sprechen. bin halt richtig traurig, als ich in meinem praktikum mit den türkischen jungs in einer klasse geredet habe, und die mir sagen, dass sie 3 mal die woche in die koranschule gehen. will dann eigentlich mit den eltern reden und sie fragen, was der fuck soll. die eltern wollen auch nicht, dass ihr vorbildlich muslimisch erzogenes kind irgendwas vom christentum lernt. heftig traurig, aber gab in meiner schule auch keinen einzigen lehrer, der sich da mal eingesetzt hat das zu ändern. beamtenlethargie vom feinsten halt.
aber der ethikunterricht umfasst dann noch viel mehr. staatentheorie (locke, hobbes, rousseau etc.) bis hin zu "was ist der mensch" und "was ist natur und was ist kunst" vom humanismus bis zur postmoderne. kenne kaum einen jungen menschen, der da keine lust drauf hat, wenn man einigermaßen ordentliche lehrkräfte hat.
@la* dowN bin vollkommen bei dir. die abstraktionsfähigkeit nicht nur implizit vermitteln, sondern explizit zum thema machen! ich hatte mir darüber mal gedanken gemacht, und man kann so viel in mathe machen. beispielsweise das zitat von Plato aus sechsten Buch des Staates:
"Du weißt ja wohl, die Leute, sie sich mit Geometrie, Rechnen und ähnlichem beschäftigen, bedienen sich dabei gewisser Voraussetzungen, wie der Geraden und Ungeraden, der Figuren, der drei Arten von Winkel und Verwandtes mehr; diese Voraussetzungen machen sie so, als ob sie darüber genau im klaren wären, . . . . . . .
Von da gehen sie aus und erreichen in weiterem Fortschritt folgerichtig ihr Ziel dort, wo sie es sich für ihre Untersuchung gesteckt haben.. . . .
Nun weiter ! Sie behelfen sich mit sichtbaren Figuren und untersuchen sie, denken aber dabei nicht an die Figuren, sondern an die Urbilder, denen sie gleichen; so untersuchen sie das Viereck an sich und seine Diagonale, aber nicht die gezeichnete, . . … Die Gebilde, die sie formen und zeichnen, . . ., diese gebrauchen sie nur als Abbilder und suchen die Urbilder an sich zu erkennen, die man nur durch das reine Denken erkennt."
Bild und Urbild, "Rechteck an sich", das sind maximalst dope konzepte. was genau macht die mathematik dann? das finde ich VIEL spannender und auch förderlicher, als ekelerregende übergangsmatrizen, bei denen ich schon kotzen muss, wenn ich sie nur sehe.
super zitat auch von einem meiner lieblingsdidaktiker, martin wagenschein:
Aus: Das exemplarische Lernen als fächerverbindendes Prinzip: der Satz des Pythagoras (1960); in Naturphänomene sehen und verstehen 1968
"Ich meine dabei aber . . . . . nicht das „Denken lernen“ überhaupt; das kann man auch anderswo lernen, etwa beim Übersetzen aus dem Lateinischen. Sondern ich meine, dass wir etwas spezifisch Mathematisches gelernt haben; etwas, was der Mathematik „überhaupt“ zukommt, und wofür der Beweis des „Pythagoras“ nur ein Beispiel war:
Wir haben gelernt, in welchem Sinne und Grade mathematische Wahrheiten gewiss sind.
Sie stehen nicht voneinander isoliert. Sie ruhen aufeinander, sie tragen einander sie stehen beisammen. Zuunterst liegt Unbeweisbares, Hinzunehmendes, Selbstverständliches. . . . .
Eine mathematische Wahrheit verstehen heißt einsehen, wie sie auf einer einfacheren ruht: Zum Beispiel der „Pythagoras“ auf dem Winkelsummensatz und auf dem Parallelenaxiom. Wer das Axiom anerkennt, kann die Folgen nicht abstreiten.
Das lokale, das primäre Staunen über „so etwas wie den Pythagoras“ weicht dem höheren Staunen darüber, dass es so einen Zusammenhang „gibt“.. . .
Diese Einsicht betrifft das Ganze der Mathematik. Wer sie am „Pythagoras“ begriffen hat, der hat etwas begriffen, was mehr ist als der Pythagoras. Und zwar nicht noch so etwas wie er ist, sondern etwas Übergeordnetes. Das Ganze, ohne dass es inhaltlich zu durchlaufen werden braucht, „spiegelt sich“ also in diesem Einzelnen. Diese Einsicht in das Aufeinanderruhen der mathematischen Wahrheiten ist ein „Funktionsziel“ des mathematischen Unterrichts."
ich denke das ist genau das was du meinst?
Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von SagaN9ne ()