Rolle von Gewerkschaften

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    • dass hier die rolle von gewerkschaften (es gibt im übrigen auch gleich gestellte arbeitgeberverbände) in frage gestellt wird, ist schon sehr bedenklich. die vereinigungsfreiheit ist nicht umsonst in Art. 9 GG verankert. genau hierauf beruht das recht, sich zu gewerkschaften zusammenzuschließen. der wert dieses rechts in der praxis ist schon enorm hoch. arbeitgeber haben im verhältnis zum einzelnen arbeitnehmer natürlich eine weitaus mächtigere position, was die möglichkeiten und gestaltungen von arbeitsverträgen etc angeht. das wird eben dadurch versucht auszugleichen, dass sich die arbeitnehmer zu gewerkschaften zusammenschließen können. dabei ist natürlich auch zu beachten, dass nicht jede x-beliebige gruppierung direkt verfassungsrechtlich als gewerkschaft angesehen wird. da sind schon durchaus hohe voraussetzungen dran gekoppelt.

      genauso wichtig finde ich in einem rechtsstaat das streikrecht. bin derzeit ja im referendariat am amtsgericht. die richter dort haben kein streikrecht. die arbeitsbedingungen sind teilweise wirklich sehr kritisch. da müssen die fälle teilweise wirklich zügig und teilweise oberflächlich durchgeboxt werden, weil es an mitteln fehlt. heißt das streikrecht gewährleistet mittelbar auch in gewisser weise - wenn es im ergebnis zu z.b. einer verbesserung eines tarifvertraglichen lohnes kommt - auch die qualität der geleisteten arbeit. jedenfalls aber bringt es natürlich den arbeitnehmern enorme vorteile sich gegen das überwiegende "machtverhältnis" des arbeitgebers zu wehren.

    • Nun noch an Dumbaz:


      In puncto "Machtvolle Einzelpersonen":
      Ich hatte da z.B. so Leute wie Claus Weselsky (GDL) im Hinterkopf.

      Es mag richtig sein, dass er nicht alleine den Streik bestimmt sondern die Belegschaft, da jeder eine Stimme hat, aber:

      -Er kann beeinflussend auf diese einwirken

      -Hat mediale Repräsentation

      -Ich gehe davon aus, dass die Belegschaft zwar über Verhandlungsziele abstimmt, aber nicht alle gleichzeitig tatsächlich in der Verhandlung sitzen, also nicht alle tatsächlich Einfluss auf die Gespräche nehmen.

      -Wer profitiert vom Streik am meisten, bzw. wessen Ruf leidet bei Misserfolg am meisten? Seiner. Bringt also einer Einzelperson Karrierebeeinflussendes Prestige, wie das Ganze verläuft. Hat insofern ein noch stärkeres Interesse am Verlauf der Gespräche, ist aber gleichzeitig am wenigsten einem Risiko der Arbeitsplatzbedrohung ausgesetzt.


      Davon abgesehen: Je nach (subjektiv wahrgenommener) persönlicher finanzieller Lage, Bildungsniveau und Empathiefähigkeit von Einzelpersonen der Abstimmenden ist die Forderung der Gewerkschaft in der Art/Höhe oder der zur Durchsetzung gewählten Mittel vielleicht unangemessen. Wenn es um das eigene Geld geht, beschließt man vielleicht eher mal dritte unangemessen hart zu schädigen (Pendler etc.) oder schätzt das Risiko, ein Unternehmen Pleite zu streiken falsch
      ein. Oder die Lohnerhöhungsforderung ist schlicht derart frech im Vergleich zum Branchenstandart, dass man schon vorher wissen könnte, dass die Maßnahmen erstmal ergebnislos sein werden.


      Zum Punkt: Streiks müssen unangekündigt sein: Mir ist schon klar, dass man damit streikbrechenden Aktionen zuvorkommen will, eine Benachteiligung dritter durch den Überraschungseffekt also in Kauf nehmen muss und eine Lösung für das Dilemma habe ich selber auch nicht.
      In der Praxis fallen aber die Streikmaßnahmen meiner Meinung nach häufig unangemessen hart aus. Man könnte im Einzelfall häufig anders handeln, im Fall Bahn z.B.:

      -Eher Wocheendbetrieb bestreiken als Schüler und Berufsverkehr. Der Bahn geht so oder so Geld verloren, ausreichend nervig um der Gesamtgesellschaft aufzufallen ist es auch, belastet aber keine Existenzen oder betrifft Schüler.

      -Nachdem man gezeigt hat, dass man Ernst macht, erstmal warten, ggf. angebotsmäßig entgegenkommen und Kompromisse machen und nicht wochenlang durchgehend auf der Höchstforderung beharren.

      -Medial nicht immer die Arbeitgeber für Ausfälle machen, die diese zwar indirekt zu Verantworten haben, deren Ort und Zeit direkt aber ja die Gewerkschaft bestimmt hat, womit der Arbeitgeber also nur mittelbar schuldig ist. Wurde z.B. von besagtem Weselsky häufig anders praktiziert.

      -Nach Streikbeginn unvorbereitete Fahrgäste über aktiv mögliche Alternativen informieren, damit unbeteiligte Dritte möglichst geringen Schaden haben. Wenn die ein Konkurrenzprodukt nutzen, schadet dass ja auch dem bestreikten Unternehmen, spart aber uninformierten ggf. den Stress nach Alternativen zu suchen.
      Ggf. auch an Flughäfen o.Ä. "humanitäre" Versorgung sicherstellen, Essen, Trinken, Decken anbieten, wenn man weiß, dass aufgrund des eigenen Streiks dort Leute stranden.

      -Die Streiks hin- und wieder teilunterbrechen um zu verhindern, dass ggf. Einzelpassagiere tagelang auf einem Bahnhof sich aufhalten müssen.

      -Keine niederträchtigen Aktionen machen, die nur auf maximale Aufhetzung der Bevölkerung gegen den Arbeitgeber abzielen, z.B. gebuchte Urlaube von Familien zerstören, durch Streiks in an Hauptreisetagen etc. Lohneerhöhung mag verdient sein, aber sowas ist gegenüber allen Nichtstreikenden Nutzern der Dienstleistung gegenüber völlig respektlos.
    • GDL würde ich aus verschiedenen Gründen als Sonderfall bezeichnen. Da ging es zu einem guten Teil darum, dass die GDL um ihre eigene Existenz gefürchtet hat. Im Zuge dessen hat die GDL auch in fremden Gefilden Mitglieder geworben und damit das "Gentlemans Agreement" der Gewerkschaften verletzt, sich nicht gegenseitig um Mitglieder zu streiten. Grund dafür siehe Tarifeinheitsgesetz, komplett eigenes Thema. Befürchtung der GDL war, komplett ihr Recht zu verlieren, selbst Verhandeln zu dürfen. (GDL übrigens ~30k Mitglieder, Ver.di und igMetall Größenordnung 2 Millionen Mitglieder). Ich verstehe aber was du meinst, weiß aber auch nicht wie GDL intern funktioniert.

      Forderungen haben soweit ich das mitbekommen habe zumeist Hand und Fuß, auch würde eine Gewerkschaft niemals die Gefahr eingehen, einen Arbeitgeber "in den Ruin zu fordern". Das widerspricht dem eigentlichen Ziel. Da wird dann auch schon mal eine 1% Erhöhung von Löhnen akzeptiert (also in Größenordnung der Inflation), wenn nicht mehr machbar ist.

      Über Alternativen informieren etc kann ich nachvollziehen, ich werde das Thema mal mitnehmen und Leute von der DVB fragen. Ich tippe darauf, dass sie so etwas hier nicht gemacht haben, weil es ihren eigenen Streik abschwächt, aber da ich morgen Leute der DVB treffe frage ich die einfach.

      Keine "Niederträchtigen Aktionen" finde ich schwierig. An Wochenenden statt an Wochentagen streiken, nicht in der Urlaubszeit streiken.. Am Ende wird es immer Personen unfair treffen. Wenn jemand einen Flug gebucht hat um seine kranke Mutter zu besuchen kann das an jedem Wochentag stattfinden, es ist quasi unmöglich es da allen Recht zu machen.

      Ansonsten, Beispiel DVB oben. Haben glaube einen Tag gestreikt 2016, jetzt bis 2018 Friedenspflicht. Streiks sind eine Ausnahme nicht die Regel. Friedenspflicht bedeutet, dass das akzeptierte Ergebnis mit seiner Laufzeit (die Verhandlungssache ist) so steht und nicht mehr verhandelt wird, bis die Laufzeit zu Ende ist. Trotzdem bin ich mir sicher, dass die BRs oder sonstigen Funktionäre der Gewerkschaften genug zu tun haben, weil >90% der Arbeit der Gewerkschaften eben nichts mit Streiks und Lohnverhandlungen zu tun haben. Das erscheint mir bei vielen hier nicht richtig im wahrgenommen zu werden.
    • Ok, wenn du die GDL als Sonderfall siehst erklärt das einiges, weil das tatsächlich die Gewerkschaft, bzw. deren Aktionen diejenigen waren, auf die ich mich hauptsächlich bezogen habe. Problematisch ist es natürlich so oder so, ob Regelfall oder Sonderfall.