wissenschaftliche Texte

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    • wissenschaftliche Texte

      Tjo Leute also seitdem wir hier so viele Studenten haben bzw. vermehrt Leute ein Studium aufnehmen habe ich mir gedacht, wir könnten doch unsere eigene kleine Plattform für papers einrichten, die wir interessant genug finden, sie zu sharen bzw. darüber miteinander zu diskutieren :)

      Ich würde einfach mal den Anfang machen mit einem Text den ich vorgestern gelesen habe für ein Seminar der Musikwissenschaft, welches ich im fachfremden Sektor freiwillig belege. Er ist hochinteressant und beschäftigt sich mit einem Kulturwandel unserer postmodernen Netzwerkgesellschaft, nimmt dabei das Beispiel des musikalischen "Remixes" heraus und erläutert u.a. dessen Entstehung und Prägung anhand weitreichender Beispiele, z.B. mit dem Beginn des Buchdrucks (Reproduktion von Texten & Schriften möglich), über Postkarten (Bildmontagen) hin zu (Dokumentar-)Filmen und schlussendlich bis zur YouTube- und Filesharing-Gesellschaft. Er relativiert überdies den Term "Autorschaft" und kritisiert währenddessen auf subtile Art und Weise das Ideal eines einzelnen "Schöpfergenies" (z.B. Rückbezug auf Mozart) und bewirbt eine kollektive Mitgestaltung der Hörer-, Zuschauer- und Leserschaft, aller Fans, DJ's usw. die zu Hause über das Meta-Medium eines Computers verfügen und selbst mitgestalten wollen und können. Der Text ist super recherchiert und heißt "Neun Thesen zur Remix-Kultur" und ist von Felix Stalder (Dozent für die Theorie der Mediengesellschaft an der Züricher Hochschule der Künste) aus dem Jahre 2009.

      Damit ich ihn euch noch ein wenig mehr schmackhaft machen kann, kopiere/tippe ich hier mal noch ein paar Zitate und/oder Grundgedanken für euch heraus:

      In geistigen Belangen kann es keine klare Trennung zwischen dem Individuellen und dem Kollektiven geben. [...]
      Was für Mozart gilt, gilt auch für andere Künstler. Oder anders ausgedrückt, durch T.S. Eliot (1920): „immature poets imitate; mature poets steal..... good poets make it into something better, or at least something different. The good poet welds his theft into a whole of feeling which is unique, utterly different from that from which it was torn.“ Eliot zielt hier auf etwas ab, das auch als eine zentralen Eigenschaften des Remix identifiziert wurde: die Erschaffung neuer Authentizität, die die Quelle, aus der sie schöpft, offen bekennt, aber frei mit ihr umgeht und daraus etwas neues schafft, das auf der selben Stufe mit dem Ausgangsmaterial stehen kann, in diesem Sinne eben nicht abgeleitet oder derivativ ist.
      Alle Werke stehen also nicht nur in einem generellen Sinne in ihrer Zeit, sondern beziehen sich auch direkt auf spezifische andere Werke. (S. 10)


      Direkte Erfahrung und analytische Abstraktion sind keine Gegensätze, sondern „Empirie“ und „Theorie“, „Individualität“ und „Kollektivität“ bedingen einander. Gerade auch in kulturellen Werken. Ryszard Kapuściński, der große polnische Journalist und Schriftsteller, beschrieb den Prozess aus dem seine „literarischen Reportagen“ hervorgingen folgendermassen:

      "Heute schreibt ein Autor, nachdem er unzählige Bücher gelesen hat, unzählige verschiedene Meinungen aufgenommen hat und die unterschiedlichsten Fragen auf die unterschiedlichste Weisen durch gedacht hat. Die Scheidung der eigenen geistigen Errungenschaft von dem, was er von aussen aufgenommen hat, wird immer schwerer. So werden wir mehr und mehr zu Komponisten oder Architekten. Unsere Vision der Welt bekommt so auf unwillkürliche Weise kubistische Züge. Unbewusst werden wir Teilnehmer an einem kollektiven kreativen Prozess. Es wird fast unerkennbar, wer wirklich aus einem authentischen Selbst heraus schreibt. Dieses echte Selbst besteht gar nicht mehr, "er selbst", "sie selbst", "es selbst" haben streng genommen aufgehört zu existieren. Die Frage nach Talent und Kreativität stellt sich immer stärker als Frage nach der Auswahl, Nutzung, Umformung von Material, und wie es mit individuellen Charakterzügen versehen werden kann." (Kapuściński, 2002: 214) (S.11)


      Während in der Montage die Variabilität der Elemente begrenzt ist und diese nie wirklich miteinander verschmelzen können (Schnitte im Film etwa bleiben letztlich immer sichtbar) kann in einem Remix Alles zu Jedem werden und jede Kombination ist nur eine temporäre Stabilisierung bis sie als Rohmaterial für etwas ganz anderes wieder zerlegt wird. (S. 17)


      Es ist heute weniger ungewöhnlich, dass sich ein neuer Stil bildet, als dass er sich über längere Zeit halten kann. Oftmals wechseln Stile – etwa in der elektronischen Musik – mit einer solchen Geschwindigkeit, dass nur noch Insider (Fans) den sich ständig wandelnden Verästelung kultureller Mischformen folgen können. (S. 18)
      ^^

      Eine Vielzahl von „Communities“ konstituiert sich primär durch die Kommunikation und kulturelle Produktion ihrer Mitglieder. (S. 19) [...] [J]eder Mensch (re)produziert Kultur aktiv und sei es nur, dass er/sie am Aufstieg und Fall gewisser Modeerscheinungen mitwirkt. (S. 20)
      mega!

      Der vielleicht wesentliche Unterschied zwischen einem Fan und einem Konsumenten ist, dass die Identifikation des Fans mit einem bestimmten kulturellen Universum so groß ist, dass er oder sie sich selbst als Teil davon betrachtet. [...] Im Fußball etwa werden die heimischen Fans oft als „12. Mann“ bezeichnet, wohl nicht ganz zu unrecht, überwiegt die Zahl der Heimsiege doch diejenige der Auswärtssiege um fast das Doppelte. Fans verstehen sich oftmals als die eigentlichen Bewahrer dessen, was sie als emotionalen Kern des kulturellen Universums verstehen. (S. 23)


      Ansonsten ist Seite 28 noch überragend, wo es um den "Kultur-Flatrate" teil geht, was einige unter euch möglicherweise schonmal gehört haben.

      Ihr seht hoffentlich - es lohnt sich! :)
      Hier könnt ihr ihn komplett lesen, herunterladen, ausdrucken, sharen, whatever: irights.info/fileadmin/texte/material/Stalder_Remixing.pdf

      Liest sich echt gut weg, keine Angst haben wegen den 29 Seiten!
      Bin gespannt auf Meinungen zum Text bzw. auf andere Texte die euch geflashed haben und wo ihr sagt, okay "die sind es definitiv Wert, gepostet zu werden" ;)
      MfG

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Seraph ()


      "You wanted life
      - I showed you love."
      Seraphs Post-Hardcore/Emo/Screamo/Metalcore/Deathcore - Thread (Hell YELL!)
      ---

      Boo^ schrieb:

      Seraph. Connecting people.
    • nach dem lesen / überfliegen von dem papier (ich hab dem nich groß hinzuzufügen) is mir wieder aufgefallen, wie schwer es mir fällt wissenschaftliche literatur ausserhalb meines fachbereichs auf deutsch zu lesen. sehr anstrengend das ganze, bin einfach nix mehr gewöhnt... :D
      fands vor allem geil wie er bei dem einen film-edit direkt den pirate bay dl-link angibt... :D
    • Seraph schrieb:

      Musikwissenschaft


      Hm das sieht man, wenn man sich zB Fußnote 3 anguckt ;)

      Sehe ich das richtig, dass der Hauptgedanke ist, dass es eine Sattelzeit der Saturierung gibt, die allen die kulturellen Erzeugnisse verfügbar macht und diese dann damit spielen?
      Find ich jetzt nicht sowahnnig interessant und er sagt ja auch selbst, dass das nicht neu ist. Wenn ich mich recht erinnere machen Musiker, das schon recht lange.
      Das neue ist also die Netzwerkgesellschaft und die verschwindene Grenze zwischen Profis und Amateuren. Aber auch das gibt es doch in der Form des bewussten Diletantismus schon einige Zeit (grad auf den Punk lassen sich einige der Gedanken des Textes ebenfalls anwenden, zB der, der verschwindenden klassischen Distributionswege).
      Letztlich ist der Begriff der Bricolageauch imho auch nichts anderes, als das, was hier Remix genannt wird. Problematisch ist dabei, dass hier keine Saturierung vorhanden sein muss (mir ist bewusst, dass in dem Text Musik behandelt wird, aber der KuWi-Ansatz ist ja "alles kann Medium sein"). Nimmt man Symbole als Distinktionsmechanismen müssen diese ja auch gar nicht für tatsächlich nicht für JEDEN verständlich sein, sondern nur für alle, von denen man sich zu distingieren versucht. Die Oma muss nicht wissen, warum der Enkel sich ne Sicherheitsnadel an die Hose heftet, es reicht, wenn der Polizist und der Lehrer das tun ;)

      Aso, hier ein knackiger Text, über den ich regelmäßig mit meiner Familie zu streiten habe:
      klick.
    • devilchen schrieb:

      den text von barabas les ich mir nachher mal durch.

      hier jetzt die (zusammengestutze) masterarbeit von einem meiner Dozenten:
      unifr.ch/finwiss/assets/files/…gerStadelmann_Formel1.pdf
      Er hat versucht mit statististischen Methoden die Frage zu klären, wer denn jetzt der beste Formel 1 Fahrer aller Zeiten sei... :-)


      Awesome^^ Kann es sein, dass die den Mal im Radio interviewt haben?
    • Barabas schrieb:

      devilchen schrieb:

      den text von barabas les ich mir nachher mal durch.

      hier jetzt die (zusammengestutze) masterarbeit von einem meiner Dozenten:
      unifr.ch/finwiss/assets/files/…gerStadelmann_Formel1.pdf
      Er hat versucht mit statististischen Methoden die Frage zu klären, wer denn jetzt der beste Formel 1 Fahrer aller Zeiten sei... :-)


      Awesome^^ Kann es sein, dass die den Mal im Radio interviewt haben?

      puh kann sein. kam auch in ein paar zeitschriften und er hat dafür glaub ich auch nen preis eingeheimst.
      is sowieso total abgefahren der kerl :D
      hat vwl und mathe gleichzeitig studiert, vor kurzem promoviert und immer nen durchschnitt von umgerechnet unter 1,3 gehabt. UND man kann sich ganz normal mit dem unterhalten!!! :D
    • JimKnopf ja. Neuesten Erkenntnissen zufolge dient die konsequente Durchsetzung wissenschaftlicher Literatur mit terminus technicus dazu, dem Berufsfeld des Geisteswissenschaftlers eine legitimierende Basis zu stellen. Einfacher formuliert, die Geisteswissenschaftler legitimieren sich dadurch dass sie unverständliche Texte schreiben, und deswegen muss es auch Leute geben, die diese verstehen können -> mehr Geisteswissenschaftler, die um ihrer selbst willen unverständliche Texte verfassen.

      Ein inzestuöser Kreislauf, könnte man fast sagen. :bluecool:


      €: ich studier selber geschichte. no need for bashings.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von corruptas ()

      Ne marche pas devant moi, je ne te suivrai peut-être pas.
      Ne marche pas derrière moi, je ne te guiderai peut-être pas.
      Marche à côté de moi et sois simplement mon amie. - Albert Camus
      Sundry's Gameblog! NEUER POST: Hunt: Showdown
    • corrupas, deine Idee sei gewürdigt, find ich Klasse ^^

      Gibt's n Grund warum Gesellschaftswissenschaftler in jedem Satz 20 Fremdwörter unterbringen? Fühlt man sich dann geiler?


      kann da für mich selbst sprechen aber ich nutze sie meist um Sachen treffender zu beschreiben ;).
    • big text geschrieben, irgend eine tastenkombi -> nur das tab wird geclosed...gg wp. schreib ich vllt morgen nochmal :D
      ansonsten for now: bitte "Geisteswissenschaftler" wenn schon flames kommen, nicht "Gesellschaftswissenschaftler", das ist im engen sinne etwas anderes :P

      @barabas+stefan: werde eure texte lesen wenn mehr luft da ist und bestenfalls die herbe woche um (:
      MfG

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      - I showed you love."
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      ---

      Boo^ schrieb:

      Seraph. Connecting people.
    • wie wärs hiermit:

      [...] in jeder Wissenschaft ist nur so viel an Wahrheit enthalten, wie in ihr Mathematik steckt.
      ~Roger Bacon

      Alles, was hiernach keine/wenig Wahrheit enthält (also keine/wenig Mathematik enthält) gehört verspottet :P

      Bessere Definition? :D