Intuition vs. rationales Denken

    • Ist doch auch völlig legitim, dass man sich auf sich selbst bezogen durchaus intuitiv und egoistisch Handeln lässt (sämtliche Beispiele: Vergesst aber nicht so kleinere Dinge wie in der Dusche singen, sich eine Auszeit nehmen oder wenn man mit Freunden rumläuft auf alles raufklettern und rumspringen. Das gehört für mich auch dazu und kann rational gar nicht erfasst werden.) - man ist schließlich kein Teil der Gesellschaft innerhalb dieser Aktivitäten und es ist völlig irrelevant für die ganze Diskussion.

      Ich nehme nochmal gezielt das Beispiel des Kletterns. Als Kind ohne negativen Erfahrungen willst du intuitiv alles erkunden. Dir sind keine Konsequenzen bewusst, die gegen ein solches Verhalten sprechen. Du bist in einem Entwicklungsstudium, welches dich nicht rational denken lässt. Sprung: 3 Jahre in die Zukunft. Du hast eine negative Erfahrung gesammelt (du bist nicht allein irgendwo runtergekommen, hast dir wehgetan oder einen Schaden verursacht - Mutti war anschließend sehr böse mit dir). Du fängst diesmal an zu überlegen, ob es dir Wert ist, dieselbe negative Erfahrung zu widerholen, weil du jedesmal eine Strafe erhalten hast (entweder durch eigene Schmerzen oder Restriktionen der Gesellschaft).

      Oma hat dir (twoplay) noch auf schonende Weise beigebracht, dass es gewisse Werte und Normen innerhalb einer modernen Gesellschaft gibt. Das gehört absolut gerechtfertigt in die Erziehung eines Heranwachsenden dazu. Dass es heutzutage viele Eltern gibt, die ihren Erziehungsauftrag selber nicht mehr gewährleisten, gibt es auch immer mehr selbsterklärte Problemkinder. Die kann man dann auch nicht mehr mit veganen Globuli heilen, sondern nur noch ihre Verhaltensauffälligkeiten mit harten Medikamenten wie Ritalin unterdrücken.

      Schön, dass du deine äußerst graue Kindheit hinter dir gelassen hast und mittlerweile Entscheidungen für dich selbst treffen kannst. Warum du diese jetzt treffen kannst? Weil du weißt, dass es dir sonst schlechter geht. Du verwechselst immer noch Intuition mit der Anwendung von Erfahrungswerten.

      Spontane Erinnerungen, was ich ohne Werte- und Moralempfinden als Kind völlig normal empfunden habe: Meinem Vater einen Schriftzug mit einem Stein ins Auto ritzen, beim Toben und Hinfallen den Deckenleuchter unserer Untermieter kaputt machen, einen Neger in der Straßenbahn fragen "bist du ein Neger?", in den Wäschekorb pinkeln und interessante Dinge bei Verwandten mitgehen lassen. Ursprünglich kindliche Neugier würde im späteren Verlauf des Lebens grundsätzliche gesellschaftliche Probleme aufzeigen. Wenn meine Eltern mir das mit antiautoritärer Erziehung durchgehen lassen würden, wäre das ein bisschen doof.
      Ab aufs Velo:

      Beitrag von südländer ()

      Dieser Beitrag wurde von ramius gelöscht ().
    • @Perdita: Genau, weil du diese Fehler aus der kindlichen Intuition gemacht hast, konnte sie irgendjemand (als Kind natürlich nicht du selber) reflektieren und daraus lernen. Das Video zielt darauf ab, dass diese Neigungen gezielt unterdrückt werden und dadurch keine Erfahrung gesammelt werden kann. Falls du deine Intuitionen allerdings durch irgendwas unterdrückst (wie gesagt: Geselllschaft, Erziehung) wirst du dir dadurch selber im Weg stehen und es eventuell nicht merken.
    • User des Monats schrieb:

      Du verwechselst immer noch Intuition mit der Anwendung von Erfahrungswerten.

      Nein, eben nicht. Ganz im Gegenteil. Um mal Wikipedia zu zitieren:
      Intuition hat einen engen Zusammenhang mit der »inneren« Logik der Gegebenheiten und mit früheren Erfahrungen (größtenteils unbewusste Wahrnehmungsinterpretationsmuster).

      Intuitiv zu handeln heißt nicht, einfach irgendnen Schwachsinn zu machen obwohl man weiß, dass die negativen Folgen die positiven überwiegen. Es heißt, dass bei der Entscheidungsfindung der rationale Denkprozess übersprungen wird, und das funktioniert natürlich vor allem in Situationen, mit denen man schon sehr viel Erfahrung gemacht hat. Niemand hier behauptet, dass man nicht aus vergangenen Ereignissen lernen soll.
    • Südländer schrieb:

      SagaN9ne schrieb:

      Ich bin an eurem Hippiegedanken interessiert. Aber bei dem Video war ausgesprochen wenig Fleisch am Knochen. Sie hat eigentlich gar nichts gesagt. "Sei im Frieden mit dir selbst" und "Hör auf gegen dich Krieg zu führen" sind klassische Kalendersprüche. Allerdings nehme ich ihr ihre realness ab, ich denke sie spielt nichts vor, was sie von anderen unterbelichteten YouTubern abkapselt und mich ein Stück weit zu diesem Post überhaupt bewegt.

      Also, was ist jetzt der Hippiegedanke? Bedürfnisorientiert/Anti-rational entscheiden? Seid ihr gegen rationale Denkungsweise? Mir kommt es nämlich so rüber, als dass Rationalität auch von Hippies akzeptiert werden könnte, sie sich aber nur querstellen, weil ihre Systemopposition sich nahezu ausschließlich darauf versteift.
      Ich lade euch auf einen kurzen Ausflug in die Literatur ein:
      Edgar Allan Poe ist auch ein scheinbarer Gegner der sogenannten "Intuition". In "The Philosophy of Composition" berichtet er ganz klar, Gedichte werden durch algorithmische Prozesse systematisch aufgeschrieben (Anti-Intuition). Allerdings behaupte ich, er macht durch subtilste Ironie unterschwellig klar, dass er das eigentlich gar nicht meint (falls ihr daran interessiert seid, einfach mal lesen, sind vielleicht sechs Seiten). D.H. Lawrence macht einen bemerkenswert interessanten Kommentar dazu: in Studies in Classic American Literature schreibt er, wenn Poe jemand gesagt hätte, dass sein Algorithmus identisch mit seiner Intuition ist, hätte er in seinem Leben nie so gelitten. Denn ist das was wir Intuition nennen nicht bereits, wenn auch in infinetisemaler Form, ein Aufwägen von Mikroentscheidungen, Prinzipien, Erfahrungen, also ein unveröffentlichter Algorithmus mit nicht greifbaren Messparametern? Bei dieser Frage bin ich persönlich auch sehr an einer neurobiologisch/psychoanalytisch fundierten Meinung interessiert, aber nun eben auch an nicht so klassischen heuristischen Herangehensweisen.


      Danke Saga für den Poe Text, habe ihn eben gelesen, sehe aber nicht die subtile Ironie. Kannst du mir da auf die Sprünge helfen?
      Finde es immer recht interessant, wenn Künstler ihre Schaffensprozesse für uns aufs Papier bringen.


      Gerne:
      "Let us dismiss, as irrelevant to the poem, per se, the circumstance"
      "It appears evident, then,"
      "that a certain degree of "
      " I reached at once what I conceived the proper length for my intended poem- a length of about one hundred lines. It is, in fact, one hundred and eight."
      " and all experience has shown that this tone is one of sadness. "

      Und noch weitere solcher Phrasen. Poe ist Genie genug um zu verstehen, was für eine Sprache er benutzt, und er spielt in all seinen Essays und Prosatexten ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem Leser. Wenn Poe in seiner Philosophie schreibt, "The Raven" ist das perfekte Gedicht, dürfte er strenggenommen kein Gedicht mehr schreiben, weil sie z.B. nicht immer traurig-melancholisch sind oder nicht zwingend 108 Verse haben. Er hat aber auch nach Raven Gedichte geschrieben. Das bestärkt, dass man der Ironie hier viel Bemerkung zuzollen muss. Aber vielleicht führt das zu weit von der Diskussion. Wird mal Zeit für einen Literaturthread. Freut mich, dass es dich zum Lesen ermuntert hat, Südländer.
    • Dr.Affe schrieb:

      Tri66erK schrieb:


      Ihr nehmt euch oft einfach nur Beispiele, die in eurem Rahmen liegen, die rational betrachtet werden müssen. Vergesst aber nicht so kleinere Dinge wie in der Dusche singen, sich eine Auszeit nehmen oder wenn man mit Freunden rumläuft auf alles raufklettern und rumspringen. Das gehört für mich auch dazu und kann rational gar nicht erfasst werden. Und ich kenne das selber von mir, dass ich das früher immer unterdrückt habe (Oma O-Ton: "Johannes, hör auf sonen Quatsch zu machen") und es mir dadurch einfach nicht gut ging. Deswegen war die Welt damals auch grauer als heute, wo ich einfach das mache, was meine Intuition mir sagt.


      Wird auch die intangible Hand of esteem gennant und ist ein weiterer Koordinationsmechanismus unser Gesellschaft neber der von tripperk geliebten unsichtbaren hand des marktes oder der eisernen Hand des Gesetzes. Man beugt sich dem Gesetz der Meinung weil ein Abweichen von der Norm mit psychologischen Kosten in Form von sozialen Ausschluss bzw Konflikten verbunden ist. Inwiefern man sich an diese Normen hält hat also auch zum Großteil damit zutun wie stark man unter den Kosten einer Abweichung leidet oder auch nicht (zB Faktoren wie Selbstbewusstsein , der sozial Status in der Gruppe oder der Wunsch nach Aufmerksamkeit). Es lohnt sich also nicht immer für die betreffende Person ihrer intuitive Entscheidung "quatsch" zu machen zu folgen.

      Das ist völlig korrekt und würde ich so komplett unterschreiben. Trotzdem ist auch das Gegenteil sinnlos, nämlich immer alles ausschließlich rational zu entscheiden. Manchmal ist genauso gut das Vertrauen auf "das Bauchgefühl", besser: das Unterbewusste, angebracht/sinnvoll. Nicht umsonst gibt es zum Beispiel den aktiv gelehrten Tipp, dass man bei Multiple Choice-Fragen in Prüfungen besser seine erste angekreuzte Antwort stehenlässt und sie nicht beim finalen Durchlesen vor der Abgabe nochmal schnell umändert, weil einem etwas anderes doch "logischer" vorkommt. Gibt mehrere Studien dazu die ich auch im Master noch behandelt habe, dass die zweiteren Antworten in der Mehrzahl dann eher falsch sind als die ersten, intuitiv gewählten Kästchen.

      Davon abgesehen seht ihr das Video glaube ich relativ "hart". Ja, diese Frau scheint eine verrückte und sehr deterministisch eingestellte Vergangenheit zu haben mit dem ganzen Veganismus-Thema etc., aber sie deshalb jetzt von vornherein als Hippie oder völlige Spinnerin zu diskreditieren, ist auch weit von Fairness entfernt. Ich habe jetzt mal kurz ihren Channel durchgeblättert und mir das gepostete Video komplett angesehen und ihre letzten Sätze sind in etwa: "Ich wünsche dir, dass du dich liebst. Bis zum Ende deines Lebens. Weil das so wichtig ist. Weil das so viel Frieden und Glück in dein Leben bringt."
      Dass sie damit einen Punkt hat, kann man meiner Meinung nach schlecht unter den Tisch kehren. Extrem viele Leute besitzen wenig bis gar kein Selbstbewusstsein und schaffen es dadurch nicht, im Leben voranzukommen bzw. etwas zu erreichen. Gerade in dieser aktuellen, harten Gesellschaft. Somit glaube ich, geht es ihr mehr darum, Denkanstöße(!) in Menschen auszulösen, die ggf. eine sehr festgefahrene/engstirnige/bornierte Sichtweise haben und gleichzeitig eben Leute abzuholen, die labil sind, nicht wissen wohin mit sich und unter vielen psychischen Problemen und Alltagsrepressionen leiden - was so weit von dem Adjektiv "nobel" gar nicht entfernt ist. Egal was für einen großen Schuss sie weg haben mag.

      Nur meine Ansicht nach dieser kurzen Sichtung.
      MfG

      "You wanted life
      - I showed you love."
      Seraphs Post-Hardcore/Emo/Screamo/Metalcore/Deathcore - Thread (Hell YELL!)
      ---

      Boo^ schrieb:

      Seraph. Connecting people.
    • Finde es nötig zu erwähnen, dass dieses Youtubevideo eine relativ unspannende Schmalspurphilosophie vertritt, was wohl auch zur recht heftigen Kritik an der Dame führt. Diese Reduktion auf "Sei du selbst und liebe dich!" ist halt für fast niemanden wirklich haltbar, natürlich gibt es genügend Hintergrund dazu, aber zu einer Philosophie gehört auch eine Begründung und theoretische Überlegungen. Es macht mich auch ein bisschen wütend, dass sie sich als ein neumoderner Epikur aufspielt, obwohl sie wohl keine seiner Werke verstanden oder gelesen hat aber (richtig) erkannt hat, dass Unglücklich sein eine Ursache für menschliche Unzufriedenheit ist - duh.

      Die entstandene Diskussion finde ich hingegend sehr interessant, auch wenn das Video meiner Meinung nach wenig Anlass dazu gibt. Muss roflgrins mal meine Achtung aussprechen für die Art, wie er es doch immer wieder schafft einen Diskurs zu beginnen und auch auf recht hohem Niveau zu führen.
    • Eure Thematik ist einfach nicht spezifisch genug. Der eine redet über Esoterik, der nächste über Pädagogik, ein dritter über den Zeitgeist der deutschen und ein vierter über Philosophie. Die Diskussion kann gar nicht zu nem Ergebnis führen :[
      Nice Meme

    • Find die Diskussion ziemlich interessant, hab bis jetzt leider keine e Zeit gefunden was dazu zu schreiben aber liege gerade lesend im Bett und hab ein ganz nettes Zitat gefunden was wohl ganz gut passt. Ist von Scott Peck 1978: "Um organisiert und tüchtig zu leben, müssen wir täglich Belohnungen aufschieben und in die Zukunft schauen (aka Rational); um aber freudig zu leben, müssen wir auch die Fähigkeit besitzen, dann, wenn es nicht destruktiv ist, in der Gegenwart zu leben und spontan zu handeln.(aka intuition) Mit anderen Worten, die Disziplin muss selbst diszipliniert werden." Goldene Mitte also, selbst entscheiden wozu man sich zwingt und wozu nicht.
      „Die meisten bekommen eine Meinung, wie man einen Schnupfen bekommt: durch Ansteckung.“
      Axel von Ambesser
    • Benutzer online 1

      1 Besucher