Business statt Bildung? Wirtschaft als Schulfach in Baden-Württemberg

    • Business statt Bildung? Wirtschaft als Schulfach in Baden-Württemberg

      Hallo Lehramtsource

      mit der letzten Bildungsplan Reform in Baden-Württemberg für 2016 sollte ein Fach "Wirtschaft" dazu kommen. Nun soll 2017 in Baden-Württemberg ein Fach "Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung" kommen. Brauchen wir mehr Lebens- und Alltagsrealität in der Schule? Bekommt man schon genug beigebracht? Oder ist die Schule der falsche Ort dafür?

      Inhalte wie der Zitronensäurezyklus steht auf dem Lehrplan. Sollte so etwas nicht lieber Platz machen für Lebensrelevante Inhalte? Medizin und Gesundheit? Psychologie, wie funktioniere ich eigentlich als Mensch? Wie ticke ich eigentlich? Kann ich mich auf mich verlassen? Pädagogik, wie erzieht man eigentlich ein Kind? Wie kriegt man eine einigermaßen funktionierende Familie hin? Wie kann ein Familienleben sich entwickeln? Gesellschaft, wie verschaffe ich meinem Leben eine Perspektive? Zielfindung, ereignisorientiertes Denken. Oder eben doch Wirtschaft und Recht: Was muss ich beim Ausbildungsvertrag beachten? Worauf muss ich bei Krediten achten, was ist ein Blankokredit (gerade heute mit den häufig im Briefkasten liegenden 5000€ Schnellkrediten)? Wie funktioniert ein Girokonto? Was ist überhaupt eine Steuererklärung? Was ist eine Einkommenssteuervorauszahlung? Wann kommt die? Wer bestimmt die Höhe? Was sind Umsatzsteuer 7% und 19%? Wie funktioniert die 1% Regelung? Brauch ich unbedingt einen Neuwagen oder kann ich auch einen gebrauchten sinnvoll absetzen? Welche Fallen hat eine Rechtsschutzversicherung, die am Ende doch gar nicht zahlt, wenn man sie mal braucht? Was ist der Unterschied zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung? Altersvorsorge: Was ist der Unterschied zwischen Riester und Rürup Rente?

      Was soll Schule also tun? Eher das, was man fürs Leben braucht? Oder eher das, was man im Alltag von sich aus eben gerade nicht macht und lernt? Beispielsweise was Demokratie ist, was für alternativen es zur freien Marktwirtschaft gibt oder eben doch der Zitronensäurezyklus...

      Kritik gibt es an der Bildungsplanreform auch, weil wohl viele Wirtschaftsverbände Lobbyarbeit betrieben haben, um ihre Interessen im Bildungsplan unterzubringen. Sehr Unternehmerfreundlichen sei dieser nun aufgestellt. Beispielsweise werde das Thema Nachhaltigkeit komplett auf den Verbraucher abgewälzt.

      Wer sich noch etwas reinhören möchte:
      SWR2 Forum - Kreditrechner im Klassenzimmer – Wie sinnvoll ist Wirtschaft als Schulfach?
      SWR2 Forum - Business statt Bildung? Wirtschaft als Schulfach in Baden-Württemberg

      Wer lieber lesen möchte:
      Wirtschaft im Unterricht: Eine Lobby bekommt ihr Schulfach
      FAQ des Ministerium selbst - Punkt 17 ist zu Wirtschaft (ganz unten)


    • Spoiler anzeigen

      jk
      finds affig, wer es hinbekommt das abi zu schaffen sollte auch in der Lage sein sich selbst grundlegendes Wissen und Fähigkeiten anzueignen. Wirtschaft wird teilweise in BaWü bereits mit Erdkunde und Gemeinschaftskunde abgedeckt, außerdem gibt es Wirtschaftsgymnasien, no need für ein extra Fach.


      edit: noch zu dem chemischen Beispiel: "wofür brauche ich das mal?" ist wohl die häufigste Frage in der Schule und tatsächlich ist sehr vieles für sehr viele überflüssig. Dennoch wissen meiner Erfahrung nach die meisten Leute nichtmal während beziehungsweise nach dem Abi nicht was sie machen wollen. Allein schon deswegen ist es nötig auch solches Grundwissen in verschiedenen Disziplinen zu vermittlen. Außerdem wirkt man so gleichzeitig etwas der Fachidiotie entgegen. Zumal es (in BaWü zumindest) in der Kursstufe ja auch möglich ist in einem gewissen Rahmen Schwerpunkte (Leistungskurse/Grundkurse) zu setzen.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von sdfvxfvaw ()

      Fiat iustitia, et pereat mundus
    • An diesen Zwitscher musste ich auch direkt denken 8o

      Wie Kredite funktionieren bekommt man in Mathe beigebracht. Marktwirtschaft steht in Hessen schon im Fach Politik und Wirtschaft auf dem Lehrplan.

      Warum man darüber hinaus ein extra Fach braucht erschließt sich mir nicht. Schule ist nicht dazu da, Arbeitnehmer zu züchten.
    • Wenn die Elite des Landes aka die Abiturienten sich nicht mit Gedichten und Dramen, grundlegenden chemischen Prozessen und Vererbungslehre beschäftigen, wird das sowieso schon katastrophale Allgemeinwissen weiter absinken, mfg "Land der Dichter und Denker". Wenn man solche Sachen nicht in der Schule lernt, wird man sich höchstwahrscheinlich nie damit auseinander setzen. Solange man an Schulen eine allgemeine Hochschulreife erwirbt, sollte man auch ein entsprechend breites Wissen für verschiedene Bereiche haben.
      Let's Play: CK2, Patrizier 2, Anno 1800
    • Also hier in Bayern sind Wirtschaft und Recht schon seit Ewigkeiten auf dem Lehrplan, verpflichtend.
      Rede von Gymnasien obv.
      IIrc haben aber sogar Hauptschulen etwas in der Richtung im Lehrplan hier~
    • wie wird das ganze umgesetzt?
      wahl- oder pflichtfach?
      ab mittelstufe oder erst ab oberstufe?
      wo wird die zeit dafür hergenommen?
      was fällt dafür aus dem lehrplan raus?
      oder kriegen die kinder einfach mehr wochenstunden aufgebrummt? 8o


      inhaltlich immerhin nützlicher als die meisten anderen sachen, und eines der wenigen fächer dessen inhalt für nahezu jeden menschen im weiteren lebensverlauf relevant und wichtig ist. unterm strich eine recht sinnvolle sache.

      WE GON TAKE OVER THE WORLD
      WHILE THESE HATERS GETTIN MAD
    • @Bighead Müsste man erstmal gute Bücher abhandeln, vieles ist eben nur für frühreife oder Erwachsene Menschen zugänglich. Nahezu niemand interessiert sich als sechzehnjähriger für Faust bzw. kann es meiner Meinung nach nicht verstehen.

      Fände Psychologie viel wichtiger als Pflichtfach in der Schule, müsste aber sehr praxisnah und weniger wissenschaftlich sein.
    • Falls du mich meinst:

      ctrl schrieb:

      wie wird das ganze umgesetzt?
      wahl- oder pflichtfach?
      War hier Pflicht

      ab mittelstufe oder erst ab oberstufe?
      Beides iirc, Kollegstufe dann Wahlfach

      wo wird die zeit dafür hergenommen?
      was fällt dafür aus dem lehrplan raus?
      oder kriegen die kinder einfach mehr wochenstunden aufgebrummt?
      Ist aber wohl outdated, da ich im letzten Abiturjahrgang mit 13 Stufen war 8o

      Tri66erK schrieb:

      Fände Psychologie viel wichtiger als Pflichtfach in der Schule, müsste aber sehr praxisnah und weniger wissenschaftlich sein.
      Psychologie in der Kollegstufe war übertriebner waste, da die Lehrkraft mehr so ne Esoteriktante war, die kaum Plan von irgendwas ahtte und man literal 2 von 3 Stunden nen FIlm geschaut/sonstwas gemacht hat
    • Das was Chuck sagt.
      Wusste gar nicht, dass es nicht überall so ist.

      Eigentlich n ganz gechilltes Fach. Für die Klausuren musste man halt viel auswendig lernen, gerade im Recht Teil.
      Konnte man auch Abitur drin schreiben, wenn man woltle, ich selbst hab da Colloqium gemacht, weil da mit möglichst wenig Aufwand für mich Puntke drin waren.

      Psychologie gibts doch auch in der Schule als Wahlfach ab 11. Klasse.
      "I'd only suggest that you try to understand other people. Try to learn empathy"
    • @Tri66erK
      Zugegeben feier ich Literatur schon ziemlich, du bist wahrscheinlich aber ähnlich biased gegenüber Psychologie. Ich weiß nicht, ob du dich mit 15 Jahren schon selbst analysieren kannst, während Faust doch neben den krassen Rhymes und einer Million geflügelter Worte ("den Satz hab ich doch auch schonmal irgendwo gehört") auch eine Hollywood-verfilmbare Geschichte über einen Handel mit dem Teufel ist. Der Text ist wohl nur schwer zu verstehen, weil wegen der Fülle der Worte vllt extrem wichtige Kernaussagen gerne überlesen werden, auf die der Lehrer in seiner Funktion als Führer durch das Werk aber natürlich hinweisen sollte.

      Es ist glaube ich viel mehr Reife nötig, sich selbst von außen zu betrachten, als klassische menschliche Verlangen aus einem aufgebauschten Text rauszulesen.
      Let's Play: CK2, Patrizier 2, Anno 1800
    • Psychologie in der Schule ist der übelste Schwachsinn. Quasi alle Implikationen aus der Psychologie sind streng kontextbezogen und der Nutzen davon ist dementsprechend sehr gering.
      Was den Kindern gut tun würde wäre eine bessere Introspektionsfähigkeit, aber das lernen sie nicht durch Lehre.
      [
    • @Bighead jo, dann warst du jemand, der es früh gefeiert hat. Ich feier es heute auch, aber früher defintiv nicht.

      Psychologie ist sicher ein zu hoher Begriff, das was Smile sagt trifft es schon eher. Selbstreflektion eben. Keine Ahnung wie man das benennen sollte.
    • Tri66erK schrieb:

      @Bighead Müsste man erstmal gute Bücher abhandeln, vieles ist eben nur für frühreife oder Erwachsene Menschen zugänglich. Nahezu niemand interessiert sich als sechzehnjähriger für Faust bzw. kann es meiner Meinung nach nicht verstehen.

      Fände Psychologie viel wichtiger als Pflichtfach in der Schule, müsste aber sehr praxisnah und weniger wissenschaftlich sein.
      lel Faust beste Literatur die man im Deutschunterricht behandelt, zumindest Teil 1 - Gretchentragödie 1 trash.

      @topic
      ka dachte auch dass es überall standard ist, wirtschaft (zumindest teilweise) zubehandeln.
    • Tri66erK schrieb:

      Nahezu niemand interessiert sich als sechzehnjähriger für Faust bzw. kann es meiner Meinung nach nicht verstehen.

      Fände Psychologie viel wichtiger als Pflichtfach in der Schule, müsste aber sehr praxisnah und weniger wissenschaftlich sein.
      Geil bin damit nahezu niemand 8o

      Psychologie gibt in der Oberstufe als Nebenfach Wählbar für interessierte. Genauso wie Philosophie oder Geologie.
      Hier sollte irgendwas mit Bierpong stehen :grinking:

      Beitrag von calcu ()

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      Beitrag von südländer ()

      Dieser Beitrag wurde von ramius gelöscht ().
    • Für den konkreten Fall Bildungsplanreform BAWÜ 2016:

      ctrl schrieb:

      wahl- oder pflichtfach?
      Pflichtfach

      ctrl schrieb:

      ab mittelstufe oder erst ab oberstufe?
      Mittelstufe, Klasse acht bis zehn mit jeweils einer Stunde pro Woche.

      ctrl schrieb:

      wo wird die zeit dafür hergenommen?
      Insgesamt sind das drei Wochenstunden, welche über die Jahre für Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung benötigt werden. Davon stammt eine von Politik und zwei aus dem Fächerverbund Geographie und Gemeinschaftskunde. Politik könnte man sagen profitiert letztendlich aber davon, da dafür fünf Wochenstunden vorgesehen waren, wovon aber ungefähr zwei für wirtschaftliche Themen gedacht waren. Jetzt ist Politik rein Politik und hat noch vier Wochenstunden, also prinzipiell eine dazugewonnen. Daher kann man wohl pauschal sagen, dass Geographie und Gemeinschaftskunde Wochenstunden für Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung verliert.