Postfaktische Politik: Zunahme von "Spinnern" in der Medienöffentlichkeit?

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    • Postfaktische Politik: Zunahme von "Spinnern" in der Medienöffentlichkeit?

      Moin zusammen, es ist einigen von euch sicher auch aufgefallen: Man stößt vermehrt, vor allem in sozialen Netzwerken, auf bestimmte Meinungsbilder die schwer mit einem Wort zu fassen sind, allgemein vllt. als "Verbreitung von Spinnertheorien" zusammengefasst werden können.

      Sicher schwer verständlich was ich meine, weshalb ich mal Beispiele bringe, worum es hier gehen soll:

      -Ablehnung allgemein akzeptierter (!!!) öffentlicher und/oder großer renommierter Medien (z.B. ARD, bekannte große Zeitungen wie FAZ etc.). Damit meine ich nicht das man den dargestellten Kommentaren, Artikeln usw. widerspricht, sondern das Medium an sich in Frage stellt (z.B. ARD ist Regierungsmanipuliert o.Ä., U.S.A abhängig oder ähnliche Vorwürfe).

      -Dementieren, uminterpretieren historisch klar belegter Fakten.

      -Verschwörungstheorien über die Bundesregierung gegenwärtig, deutsche Bundesregierungen im Allgemeinen, die Welt im Allgemeinen. Alternative Variante: Verschwörungstheorien, diverse superreiche Kapitalistenfamilien würden die Welt regieren, Geheimbünde spielten eine Rolle usw. usw.

      -Verbreitung von einseitigen Darstellungen zu bestimmten Konflikten (insbesondere pro-russisch/pro-Putin lastige Beiträge auf diversen Facebook "Nachrichtenseiten". Das Wort Nachrichtenseiten wähle ich, weil diese Seiten nach außen hin vorgeben, entsprechendes zu sein.

      -Wachsende Akzeptanz von Rassismus, Nationalismus und Europakritik (soll hier nur bedingt eine Rolle spielen, da es ein eigenes Riesenthema ist und teilweise auch durchaus legitim als Meinung vertreten werden kann (vom Rassismus mal abgesehen). Nimmt aber auch zu in einer sehr gefährlichen Form und wird zunehmend öffentlich toleriert.

      -Ablehnung öffentlicher deutscher Behörden und Verweigerung jeglicher Kooperation mit deutschen Behörden und herausnehmen gesetzeswidriger Individualrechte unter dem Vorwand "man sei ja friedlich und dürfe leben wie man will". Vor allem bei der sogenannten "Reichsbürgerbewegung". In meinem Heimatland Schleswig-Holstein gab es vor kurzem völlig kuriose Fälle, dazu vllt. später mehr, je nachdem wie sich die Diskussion entwickelt.

      -Letztlich auch: Verbreitung alternativer "historischer Wahrheiten/Sichtweisen etc." die völlig an der allgemein wissenschaftlich erfassten Realität und Meinung vorbeigehen.


      Passend dazu wurde der Ausdruck "Postfaktisch" ja gerade zum Wort des Jahres gewählt.


      Ich würde gerne von euch wissen:


      -Nehmen solche Dinge tatsächlich zu? Oder ist das nur meine subjektive Wahrnehmung?

      -Wie gefährlich sind solche Menschen? Wie gefährdet sind wir durch den Einfluss solcher Spinner in Deutschland, sowie weltweit?

      -Warum gibt es dass gerade gehäuft?
      Warum funktioniert postfaktische Argumentation so gut heutzutage, obwohl wir großen medialen Zugriff auf eine riesige Fülle an Informationen haben? Oder ist es gerade deshalb so, dass die Menschen resignieren und sich ihre eigenen Welten schaffen?

      -Wie kann man mit solchen Leuten umgehen, wie reagieren? Sowohl als Gesellschaft/Staat, wie auch als Einzelperson (bspw. indem ich zufällig mit einer solchen Person ins Gespräch kommen, sich die Ansichten der Person aber erst nach und nach herauskristallisieren).
    • Allgemein akzeptierten öffentlich rechtliche Sender?
      Was meinst du damit? Und noch mit 3 Rufzeichen.

      Ich sehe es eher als allgemein akzeptiert dass die Massenmedien eine gewaltige Agenda haben. (anti Russland, pro Clinton etc)

      Ich finds übrigens auch ziemlich dreist erstmal alle die nicht deinem Weltbild entsprechen als spinner zu bezeichnen.
    • Stress und Furcht führt dazu, dass das Gehirn mit erhöhtem Mass versucht Muster in seinem Umfeld zu sehen.
      Deshalb gibt es jedesmal, wenn der Zeitgeist nun mal nicht so fried selig (Kriegsgefahr, Einwanderungsprobleme, etc.) ist eine erhöhte Menge von Pseudowissenschaften und Verschwörungstheorien.
      Man will eine schnelle und simple Erklärung für die Problematik in seinem Leben finden. War glaub ich vorgestern erst ne Sendung darüber in Quarks&Co.
      Hab die Fakten jedoch nicht selbst gecheckt, aber ist an sich ne gute Sendung und ich vertrau den Fakten deshalb mal.

      €: Man will übrigens meist ne Antwort die bereits in das eigene Weltbild passt und demnach nicht unbedingt die Wahrheit.
      Nice Meme

    • Diese Strömungen hin zu Verschwörungstheorien gab es schon immer. Durch das Internet ist aber extrem einfach geworden Gleichgesinnte zu finden (und damit Bestätigung).
      Die in letzter Zeit implementierten Vorschlagsoptionen (z.B. Youtube) und angepassten Suchergebnisse führen sogar zu einem noch weiter vernegten Horizont. Ich glaube man sagt neuerdings man ist in seiner sozialen Bubble "gefangen"
      Schaut man sich auf der anderen Seite an wer im Aufsichtsrat der öffentlich rechtlichen sitzt, kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, das dort eher keine neutrale Berichterstattung erfolgt.

      mfg
      coruscant
      Kommentar zur Krise xyz:
      Ich hatte mich schon gefragt welche nächste Sau durch's Dorf getrieben
      wird. Was wohl als nächstes kommt. Klimawandel oder vielleicht doch
      wieder Terrorismus ...

      Das der Mond auf die Erde stützt, DASS wäre mal was wirlich neues und
      sicher auch extrem verheerend. Alternativ tut es auch ein großer
      Meteorit.

      Ich kann es mir in Gedanken schon vorstellen. An Schweinegrippe
      erkrankt und vom Meteoriten erschlagen als der Kofferbomber gerade
      einen Block entfernt war ...

      Ja, das sind wahrhaft düstere Zeiten. Ich mach erst mal ein Bier auf ... Das ewige Leben wird sowieso keiner haben.

      Hier gehts lang zu Rätseln der gehobenen Schwierigkeitsklasse!
    • Ich denke, dass solche Dinge tatsächlich zunehmen. Als Grund nehme ich an, dass es innerhalb des letzten Jahrzehnts mit der allgemeinen Verbreitung des Internets und von sozialen Netzwerken immer leichter für Menschen mit speziellen Ansichten wurde Gleichgesinnte zu entdecken und mit diesen ein Netzwerk aufzubauen. Damit entwickelten sich schnell digitale Räume, in welchen diese Ansichten ausgearbeitet und mit Ressourcen angereichert werden konnten, sodass sich die heute oft genannte "Filterblase" bzw. "Echo Chamber" bildete. Mit dem Wissen, dass auch viele andere die eigene Meinung teilen und durch das gegenseitige Bestätigen werden entsprechende Vertreter selbstbewusster diese Meinung nach außen zu vertreten oder sogar aktiv zu verbreiten.

      Ob diese Menschen gefährlich sind hängt glaube ich mit deiner letzten Frage zusammen: Wie man mit diesen Menschen umgehen kann kommt sicherlich auf die einzelne Person drauf an. Ist es jemand, der zwar in einer Filterblase geprägt aber für Argumente und Belege zugänglich ist, dann ist ein gesunder Austausch sicherlich möglich. Problematisch sind die Fanatiker oder jene, die hinter allen ihren Ansichten widersprechenden Belegen eine Verschwörung sehen.

      Allgemein würde ich zum Umgang mit Gruppen bzw. Bewegungen von solchen Menschen sagen, dass man sie nicht von vorneherein pauschal ablehnen sollte, wie es mit Pegida / AfD bzw, Trump in den letzten Jahren passiert ist. Sinnvoller ist es, sich mit den einzelnen Menschen auseinander zu setzen, ihre Beweggründe zu erfahren und zu versuchen ihnen Argumente für eine andere Sichtweise zu bieten. Damit erreicht man zwar nichts bei den Fanatikern, allerdings überzeugt man vielleicht viele der Grenzgänger und schafft es dadurch zu verhindern, dass die Gruppe bzw. Bewegung eine kritische Masse erreicht. Das ist allerdings mit viel (Basis-)Arbeit verbunden, wie es vor kurzem auch im US-Wahl Thread beschrieben wurde, was die Demokraten falsch gemacht hätten: Sie sind nicht zu den einzelnen hin und haben in aller Ruhe erklärt, wieso die Dinge so sind wie sie sind. Stattdessen wurden pauschal Parolen verbreitet und stümperhaft die komplette Gegenseite und alle, die AfD / Trump erwägen zu wählen als Idioten bezeichnet.

      Edit: Ich habe mich nur auf deine letzten vier Fragen bezogen. Tatsächlich würde ich dir bei einigen deiner genannte Beispiele am Anfang deines Beitrags widersprechen und diese nicht schlicht als "Spinnerei" abtun. Womit wir aber wieder beim Inhalt meines letzten Absatzes wären: Nicht pauschal Meinungen oder Ansichten mit "Idiot" oder "Spinner" betiteln, sondern in harter Arbeit auf die Menschen eingehen, ihre Beweggründe und Faktenbasis ergründen und darauf dann Stück für Stück aufbauen.
    • Finde die Beiträge von fugo und Coruscant schon sehr aufschlussreich. An 1nf3ct3d: Es mag sein, dass die Medien die ich hier als allgemein akzeptiert darstelle (Nachrichten von ARD, ZDF, also wirklich der Intention nach völlig unabhängige) eine gewisse tendenziöse Berichterstattung bei gewissen Themen haben (wie von dir erwähnt Russland, Clinton, sehe ich ähnlich). Letztlich haben die aber trotz dieser Tendenzen eine sehr neutrale Sicht, über jedes Thema wird berichtet, verschiedene Seiten beleuchtet etc. Möglicherweise etwas zu häufig mit gewissen Ergebnissen (z.B. Anti-russisch), aber im Grunde im Rahmen der in der deutschen Presse seit Jahren üblichen Varianz. Und viel Neutraler als in 96% der anderen Staaten auf dieser Welt.

      Die Berichterstattung kann man, wie ich schon schrieb, durchaus also als tendenziös beschreiben. Aber dass macht diese Medien nicht "unfrei oder gekauft oder mit der Regierung im Bunde" oder ähnliches, wie z,B. von PEGIDA und anderen mit dem Vorwurf "Lügenpresse" ja unrichtigerweise unterstellt.

      Leute die anderen unrichtigerweise etwas unterstellen um damit politische Stimmung gegen gewisse Schichten/die Regierung etc. anzuheizen als "Spinner" zu bezeichnen finde ich deshalb überhaupt nicht dreist. Vielmehr sind die von mir so bezeichneten dreist. Finde daher es ist wichtig bei solchen Themen auch mal Farbe zu bekennen und Dinge beim Namen zu nennen. Leute, die die Autorität des Staates untergraben und mit beleidigenden, sachlich falschen Anschuldigungen Stimmung machen ("Lügenpresse"o.Ä.) als Spinner zu bezeichnen war von mir deshalb durchaus nicht unüberlegt, sondern auch tatsächlich so gemeint.

      Um das aber nochmal klarzustellen: Es soll jetzt hier nicht um AFD,PEGIDA und den LügenpresseVorwurf oder so im Einzelnen gehen, sondern eher um diese "Arbeitsmethoden" im generellen. Sind allerdings schon sehr passende Beispiele .
    • Und bei den Themen Libyen und Syrien? Die Berichterstattung dort ist extrem einseitig. Mfg die moderaten syrischen Rebellen (xDD)
      Bei dem Thema haben die Massenmedien auch wirklich großen Einfluss denn ob die Regierungen wirklich etwas machen hat mMn. viel mit dem Eindruck des Volkes zusammen.
    • Ich mag den Journalisten der diesen Artikel geschrieben hat nicht so, aber der Artikel ist wirklich gut geschrieben und regt zum Nachdenken an. Er passt auch wirklich perfekt in dieses Thema rein und ich empfehle jedem den Read.

      cms.falter.at/falter/2016/11/0…s-wollte-mich-verbrennen/



      Unsere Gesellschaft wird derzeit gerne „postfaktisch“ genannt. Doch der Begriff, so warnt etwa der Psychiater Patrick Frottier, sei irreführend: „Wir leben im kontrafaktischen Zeitalter.“ Wir leugnen Tatsachen, weil sie uns unsicher machen, weil wir sie nicht mehr verstehen und einordnen können, weil sie unseren tradierten Bildern widersprechen. Wir basteln uns vor allem im Netz eine Welt zusammen, die unsere Meinung stützt.
    • Wie gesagt ich gebe dir durchaus Recht, dass die Berichterstattung teils einseitig ist. Aber ich würde da nochmal differenzieren zwischen "einseitig" einerseits im Sinne einer offensichtlich in den politischen Ansichten nicht gut durchmischten Redaktion und dem Vorwurf der "Lügenpresse" andererseits der ja unterstellt, diese Einseitigkeit wäre irgendwie von oben "gesteuert" und bewusst manipulativ gehalten. Letzteres würde ich so nämlich definitiv nicht unterschreiben.

      Davon abgesehen kann man natürlich sagen, die Presse hat hier noch kein theoretisch erreichbares Optimum (totalausgewogene Berichte) erreicht. Aber im Vergleich zu den Medien anderer Staaten, also "relativ" betrachtet, finde ich dann auch die Syrien und Russland Berichterstattung vergleichsweise neutral. Und auch in den meisten großen Talkshows bekommen Vertreter von kritisierten Staaten ja zumindest mindestens einen Sitz auch ab. Das es nicht besser geht, hab ich ja nie gesagt. Aber ich denke, man versucht da schon das Möglichste, ausgewogen zu sein und macht es nicht bewusst einseitig. Damit widerspreche ich ja heutzutage vielen, die eben gerade eine Konspiration der Medien (untereinander und mit der Regierung) vermuten und öffentlich unterstellen, was meiner Meinung nach absolut nicht zutrifft.

      Davon abgesehen, um nochmal auf das "Relative" zurückzukommen: Gerade bei Facebook gibt es derzeit extrem viele Seiten die extremst einseitig pro-russisch und anti-amerikanisch im Ukraine und Syrien-Konflikt argumentieren. Dagegen ist die "Tagesthemen" Berichterstattung das reinste Neutralitäts-Vorbild. Und genau das ist eben auch Teils des Problems das ich meine und auch Teil der "Bubble" oder Echo-Chamber die hier angesprochen wurde. Die Leute legen hohe Maßstäbe an bspw. öffentliche rechtliche Sender an, aber keiner kritisiert dass z.B. bei Facebook Inhalte verbreitet werden, die an Propaganda grenzen (oder die Grenze schon überschritten haben). Da wird doch mit zweierlei Maß gemessen. Auf den großen Fernsehmedien und Talkshows etc. wir herumgehakt, zu Hause teilen die selben Leute die den Mund am lautesten aufmachen in den Netzwerken den größten Mist.
    • Möchte nur einwerfen, was mich an "Postfaktisch" stört:
      Es impliziert, dass es eine Zeit gab, in der "Fakten" politisches Handeln / öffentliche Meinungen bestimmt haben.
      Das war, ist und wird wohl nie so sein.
      Das Problem beginnt ja schon damit, dass völlig unklar ist welche Dinge man als Tatsache ansieht. Gibt bei den wenigsten Themen die eine Wahrheit und die eine richtige Sichtweise (außer natürlich die eigene :ugly: ).
      FREE Hat
    • ich hab's schonmal in nem anderen thread geschrieben: die presse ist frei, nicht neutral. schreiben darf jeder was er will und oh wunder, selbst die öffentlich-rechtlichen können eine agenda verfolgen. man wird zum beispiel nie erleben, dass die öffentlich-rechtlichen in einem non-satirischen kontext informationen präsentieren die letztendlich zur auflösung des staatswesens führen könnten (um mal den extremfall zu nennen. es ist auch sehr unwahrscheinlich dass die ÖR irgendetwas berichten das auch nur ansatzweise destabilisierend wirken könnte.)

      will man an dem grundsatz rütteln, also neutralität vorschreiben, ist auch die pressefreiheit fürn arsch. die pressefreiheit wird aber heftig abused um klicks zu generieren und für produkte zu werben, außerdem ist halt in der presse niemand daran gebunden wahrheitsgemäß zu berichten, was halt dazu führt dass fakten entweder immer der aktuellen agenda hintenan gestellt werden oder einfach im sinne der agenda gespint werden (siehe spin doctors, deren job es quasi ist fakten so zu verdrehen dass sie irgendwie doch pro oder contra XYZ sprechen). diese vorgehensweise ist omnipräsent und imho hauptursache dafür, dass medien ihr vertrauen verspielt haben. was nochmals scheiße ist, weil die medien die größte infrastruktur besitzen um objektive wahrheit zu verbreiten und es im zweifelsfall ihr JOB ist gefährliche akteure als solche zu brandmarken und dafür zu sorgen dass sie in keine öffentliche position kommen. stichwort donald trump.

      black_head schrieb:

      Gibt bei den wenigsten Themen die eine Wahrheit und die eine richtige Sichtweise
      das stimmt so halt nicht. intellektuelle faulheit. die annahme dass bei verschiedenen positionen die wahrheit "irgendwo in der mitte" liegt ist bei verschiedenen politischen angelegenheiten zwar zutiefst menschlich aber fatal, als beispiele dienen da menschengemachter klimawandel oder die berühmte behauptung, dass impfungen autismus verursachen. ersteres ist wissenschaftlich belegt und zweiteres wissenschaftlich widerlegt, und trotzdem gibt es idioten, die glauben, dass es noch genug anhänger gibt, die diesen beweisen nicht vertrauen und trotzdem ans gegenteil glauben spiele für die wahrheit irgendeine rolle.
      Ne marche pas devant moi, je ne te suivrai peut-être pas.
      Ne marche pas derrière moi, je ne te guiderai peut-être pas.
      Marche à côté de moi et sois simplement mon amie. - Albert Camus
      Sundry's Gameblog! NEUER POST: Hunt: Showdown
    • Sundry schrieb:

      black_head schrieb:

      Gibt bei den wenigsten Themen die eine Wahrheit und die eine richtige Sichtweise
      das stimmt so halt nicht. intellektuelle faulheit. die annahme dass bei verschiedenen positionen die wahrheit "irgendwo in der mitte" liegt ist bei verschiedenen politischen angelegenheiten zwar zutiefst menschlich aber fatal, als beispiele dienen da menschengemachter klimawandel oder die berühmte behauptung, dass impfungen autismus verursachen. ersteres ist wissenschaftlich belegt und zweiteres wissenschaftlich widerlegt, und trotzdem gibt es idioten, die glauben, dass es noch genug anhänger gibt, die diesen beweisen nicht vertrauen und trotzdem ans gegenteil glauben spiele für die wahrheit irgendeine rolle.
      Stimme dir da zu, dass die beiden genannten Aussagen als bewiesen anzusehen sind und damit als Fakten durchgehen. Leider rechtfertigen diese beiden Fakten allein allerdings noch kein bestimmtes Vorgehen. Ich denke mal @black_head wollte mit seinem Beitrag eher darauf hinaus, dass konkrete politische Handlungsweisen so gut wie nie faktisch belegt werden. Weder aktuell noch in der Vergangenheit. Für die meisten Entscheidungen steht schlicht gar nicht die nötige empirische Faktenlage zur Verfügung und es wird stattdessen auf ein Gemisch aus Ideologie und Emotionalität zurückgegriffen um seine eigene Agenda durchzudrücken. Dabei werden dann auch mal ein paar Fakten eingestreut, um die eigene Sichtweise schmackhafter zu machen. Aber komplett logisch oder wenigstens empirisch wahre Schlussketten gibt es quasi nie.

      Der politische Entscheidungsprozess war schon immer mehr Heuristik als alles andere und wer denkt sein Standpunkt wäre sauber mit Fakten untermauert, der hat in den meisten Fällen einfach nur nicht gründlich und unvoreingenommen genug nachgedacht. Der derzeitige Trend zum Misstrauen gegenüber den etablierten Medien ist sicher ein neuartiges Phänomen. Aber wer behauptet früher war alles besser faktisch ist genau so fehlgeleitet wie viele der hier angeprangerten Spinner und ist imo selber einfach nur nicht in der Lage die Fragilität seines eigenen Standpunktes anzuerkennen.

      Beitrag von Normal McNormalson ()

      Dieser Beitrag wurde von Zagdil aus folgendem Grund gelöscht: Spam ().
    • netragtulb schrieb:

      Stimme dir da zu, dass die beiden genannten Aussagen als bewiesen anzusehen sind und damit als Fakten durchgehen. Leider rechtfertigen diese beiden Fakten allein allerdings noch kein bestimmtes Vorgehen.
      ein ~bestimmtes~ vorgehen nicht, aber die marschrichtung. wenn man sich auf mein beispiel stützt kann man im falle klimawandel eindeutige verursacher ausmachen. wie man mit diesen umgeht um den klimawandel zu bremsen ist die frage, und nicht ob dieser klimawandel real ist.

      netragtulb schrieb:

      Ich denke mal @black_head wollte mit seinem Beitrag eher darauf hinaus, dass konkrete politische Handlungsweisen so gut wie nie faktisch belegt werden. Weder aktuell noch in der Vergangenheit. Für die meisten Entscheidungen steht schlicht gar nicht die nötige empirische Faktenlage zur Verfügung und es wird stattdessen auf ein Gemisch aus Ideologie und Emotionalität zurückgegriffen um seine eigene Agenda durchzudrücken.
      1. soll er das dann auch so schreiben und 2. ist das ein problem der tatsache dass in demokratien im zweifelsfall immer populäre maßnahmen effektiven vorgezogen werden, weil alle 4 jahren wahlen sind und man sonst nichts hat, um sich zwecks durchsetzung langfristiger strategien an der macht zu halten. einfacher gesagt: du musst irgendwas populäres machen um später erfolge vorweisen zu können, und ob man das nun ideologisch oder faktisch begründet spielt realpolitisch keine rolle. wichtig ist, dass es geschehen ist. wenn jemand irgendeine obskure sondersteuer einführt und dank dieser 200 städte grundsaniert werden können, fragt später der durchschnittswähler nicht danach, ob das gemacht wurde weil man wirtschaftspolitisch ein br0 ist oder juden hasst. natürlich wäre es schön, wenn ein politiker seine wahren gründe für solche maßnahmen kundtun würde, aber dann wären wir irgendwann an dem punkt, wo die meisten maßnahmen direkt und unverblümt damit begründet werden dass politiker keine zertifizierten experten sind sondern gewählte normalos mit entweder einer politischen vision und/oder einem unbändigen willen zur macht. expertise ist der zuckerguss, aber optional. deswegen auch gemisch aus ideologie und emotionalität statt fakten. ideologie und emotionalität gewinnen herzen, fakten nur köpfe, aber es ist letztendlich das herz das wahlen entscheidet.

      netragtulb schrieb:

      Der derzeitige Trend zum Misstrauen gegenüber den etablierten Medien ist sicher ein neuartiges Phänomen. Aber wer behauptet früher war alles besser faktisch ist genau so fehlgeleitet wie viele der hier angeprangerten Spinner und ist imo selber einfach nur nicht in der Lage die Fragilität seines eigenen Standpunktes anzuerkennen.
      früher WAR vieles faktisch besser untermauert, weil sich sowohl medial als auch politisch mit fakten karrieren erschaffen und zum einsturz bringen ließen. ich wage mal zu behaupten, wäre die watergate-affäre nicht in den 80ern, sondern 2014 passiert, wäre der präsident der sie verbockt hat noch fröhlich im amt und hätte den tag mit einem beherzten schaukeln seiner eier begangen, statt ein rücktrittsschreiben aufzusetzen (edit: vielleicht etwas überspitztes beispiel, aber dürfte klar sein worauf ich hinaus will). der investigative journalismus ist anno 2016 toter als tot. frag assange oder snowden.
      warum war er damals also noch lebendig? weil damals die öffentliche medienlandschaft sich nicht gegen eine omnipräsente gegenöffentlichkeit durchsetzen musste. sie hatte die zügel in der hand, und konnte deswegen noch ihre funktion als 4. gewalt im staat noch wahrnehmen. jetzt ist es ein konkurrenzkampf geworden, der schon längst nicht mehr durch fakten entschieden wird, sondern dadurch, wer in kürzerer zeit mehr emotionen und damit mehr aufmerksamkeit weckt. anstatt dass auf gestandene skandale politische folgen eintreten, gibt es nur eine riesige blase der entrüstung oder begeisterung die genauso schnell platzt wie sie aufgepumpt wird, und solange es diese blase ist, die mehr geld und karrieren bewegt und nicht die fakten, wird den medien auch nicht mehr vertrauen entgegengebracht werden.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Sundry ()

      Ne marche pas devant moi, je ne te suivrai peut-être pas.
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    • Ich wollte lediglich sagen, dass die öffentliche Debatte noch nie maßgeblich durch Rationalität gelenkt wurde, sondern schon immer durch die Normen der jeweiligen Zeit entschieden wurde. Das ist in sich auch nicht weiter schlimm, wenn man sich bei echtweltlichen Problemen auf Rationalität allein verlässt dann wird man sowieso nicht sehr weit kommen. Intuition und Trial and Error sind da seit jeher viel wichtigeres Handwerkszeug.

      Ich erkenne sehr wohl an, dass sich an der Qualität des Diskurses in den letzten Jahren etwas verschlechtert hat und wollte keineswegs andeuten, dass z.B. die Welle der Impfverweigerer in den USA völlig bedenkenlos hinzunehmen ist. Ich habe mich lediglich am Begriff postfaktisch gestört, da auch in der Vergangenheit nur dem Anschein nach mit Fakten gearbeitet wurde.

      In deinem Watergate-Beispiel würde ich z.B. auch behaupten, dass Nixon nicht zurückgetreten ist, weil es faktisch die richtige Entscheidung war, sondern weil ihn der Zeitgeist dazu gedrängt hat. Damals wollte man eben keinen Crook im weißen Haus haben. Heute denken die Leute, dass sowieso alle Politiker crooked sind und wählen vereinfacht gesagt deshalb dann eben denjenigen, der es wenigstens offen zugibt.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von langbutter ()