Ich hatte mir erst Dragon Age: Origins geholt, aber irgendwie packt es mich nicht. Darüber werd ich noch später bloggen - irgendwann, wenn ich mich dazu durchringen kann, es endlich durchzuspielen. Um die kleine Durststrecke zu überbrücken, hatte ich mir dann Planescape: Torment besorgt. Ganz davon abgesehen, dass ich ziemlich verwirrt war und den Weg aus dem Startdungeon nicht gefunden habe, was mich zur peinigenden Einsicht bewegen musste, dass mein von Post-2005er-Releases verwöhntes Spielerhirn keinen Anspruch mehr gewohnt ist, hat es auch irgendwann meine Grafikkartentreiber zerschossen und den ersten Bluescreen seit Erwerb dieses Computers verursacht.
Puh. Zudem war mein Jahr 2018 bisher im Allgemeinen recht scheiße, und da ich weder vorhabe, weiter zu versauern, noch diesen Thread einschlafen zu lassen, hab ich mir mal meine Steam-Library angeschaut und mal überlegt, wozu ich eigentlich noch paar Takte sagen könnte. Ich wurde recht schnell fündig.
Somewhere... beyond the sea...
BioShock (2007)
__________________
Dieser Post wird vergleichsweise kurz, und das liegt daran, dass ich alle Spoiler diesmal wirklich aufs Minimum beschränken möchte, weil das Erfahren und Erleben der Ereignisse von BioShock ein absolut elementarer Bestandteil des Spiels ist. Ein zweiter Post, in dem ich dann rücksichtslos und heftig spoilern werde, um auf all die Facetten einzugehen, die BioShock hat, wird noch folgen. Aber zunächst einmal: Wie beschreibt man BioShock?
Rein vom Spielerischen her bot es schon 2007 nur wenig, was noch nie dagewesen wäre. Acht oder neun Waffen, dazu noch eine Menge verschiedener Munitionsarten, nebenher kann man noch Plasmide (sprich, Zauberkräfte) einsetzen und mithilfe von Tonika (passiven Modifiern) seinen Charakter weiter ausbauen. Wenn man Irrational Games (und Ken Levine) eins lassen muss, dann dass sie über den kreativen Orgasmus namens BioShock nicht vergessen haben, dass sie immer noch ein Spiel programmieren - wenn man sich lediglich schöne Bilder und eine interessante Geschichte anschauen will, könnte man ja genausogut einen Film schauen. Aber nein: BioShock ist ein Spiel. Gelingt das?
Die einzige Antwort kann nur sein: Ja. Ziemlich gut. Als Shooter ist BioShock bei weitem nicht Weltklasse, aber dennoch gut gelungen - der Umgang mit den verschiedenen Plasmiden und Waffen macht Spaß, und es ist ein ziemlicher Genuss, sich durch die Horden von Splicern zu prügeln, schießen, feuern, blitzen, knallen, worauf immer man Lust hat, während man sich durch die baufällige, langsam mit Wasser füllende Ruine namens Rapture schlägt, um Andrew Ryan und seinen Handlangern zu Leibe zu rücken. Es gibt ein paar Ungereimtheiten - Hacking beispielsweise sollte nach dem technischen Stand von Rapture nichtmal möglich sein, und das dazugehörige Minigame müsste wahrheitsgemäß eigentlich KlempnerSimulator 1959 Edition heißen. Im Großen und Ganzen tun diese dem Erlebnis nicht wirklich einen Abbruch und sind der einzige Fall, in dem das, was man macht, nicht wirklich eine Erklärung hat. Aber zurück zur Sache:
Wat? Rapture fließt voll? Und wer zum Fick ist Andrew Ryan? Splicer? Plasmide? Hier wird's spannend. Nach Vampire: Bloodlines und Mafia ist BioShock der dritte Titel in diesem Blog, der das Prädikat "Alt aber geil" verdient. Und auf eine Art, die bisher nur eine Person kopieren konnte - Ken Levine selbst, der kreative Kopf hinter System Shock 2, BioShock, und BioShock: Infinite, die allesamt nach demselben Schema funktionieren, aber jedesmal ein anderes Thema angehen. Aber wie?
BioShock beginnt mit einem Flugzeugabsturz im Jahr 1960. Der Protagonist, Jack, seines Zeichens ein eingefleischter Fan von Handgelenktattoos und beigefarbenen Baumwollpullovern, ist per Flieger unterwegs zu Verwandten nach Europa. Diese haben ihm per Post wohl ein Paket geschickt, das er bitte erst im Flugzeug öffnen soll - und kaum öffnet er das Paket, stürzt das Flugzeug ab.
Wie durch ein Wunder überlebt Jack den Absturz. Und er muss nicht lange auf Rettung harren - in direkter Nähe der Absturzstelle, mitten im Atlantik, befindet sich ein Leuchtturm. Ab diesem Moment hat der Spieler die Kontrolle. Wir schwimmen durch die brennenden Flugzeugtrümmer durch zu besagtem Leuchtturm, nur um festzustellen, dass das Leuchten wohl niemals Zweck dieses Turms gewesen ist.
Kaum treten wir ein, springen langsam Lichter an, und eine riesige Messingbüste eines noch unbekannten Mannes grüßt uns, mitsamt eines roten Banners, das in goldenen Lettern verkündet:
No gods or kings. Only Man.
Das Einzige, was zu hören ist, ist nur ein leises Grammophon, das eine Instrumentalversion von Charles Trenets La Mer (besser bekannt als Beyond the Sea) in die nasskalte Leere säuselt, und das Platschen der eigenen Schritte.
Nur ein kleiner Vorgeschmack darauf, was uns noch erwartet. Den einzigen Weg nehmend, der sich bietet, schreiten wir die Treppe in den Keller des überaus ästhetischen Leuchtturms hinunter - wo wir eine einsatzbereite Tauchkugel vorfinden.
Was folgt, nachdem wir einsteigen, müsst ihr euch selbst anschauen. Die eigentliche Introsequenz von BioShock, die folgt, gehört meines bescheidenen Ermessens nach zu den allerbesten der ganzen Spielgeschichte:
Wir lernen also bereits auf der Tauchfahrt nach Rapture Andrew Ryan kennen, den Initiator und Gründer der auf dem Meeresboden gegründeten Stadt Rapture. Seine Vision ist ebenfalls unmissverständlich, dargeboten mit einer Rhetorik, dass die halbe Wall Street unisono das Wichsen anfangen würde - doch wie gut das alles ausgegangen ist, sehen wir bereits schon an dem Moment, an dem die Tauchkugel im Welcome Center von Rapture auftaucht.
Nichts ist, wie es scheint. Anstelle einer glücklichen, libertären Utopie, in der jeder das besitzt, was ihm zusteht, in der sich Ryans Vision eines Mikrokosmos freier Menschen, in der die komplette, uneingeschränkte Freiheit von Kunst, Wissenschaft und Handwerk als veritables Modell durchgesetzt hat, finden wir einen Alptraum vor: Die Stadt ist nah am Zusammenbruch. Fast alle Bewohner sind entstellt und wahnsinnig, und die Wenigen, die noch zu rationalem Handeln fähig sind, scheinen die Überlebenden eines Bürgerkriegs zu sein, der die Stadt zerrissen hat. Anstelle eines höflichen Mitarbeiters, der uns nach Lebenslauf und Bonität ausfragt, um uns dann zur Luxussuite zu führen, in der wir unser neues Leben als unterseeischer Leistungsträger antreten dürfen, begrüßt uns eine entstellte, bewaffnete Lady in einem roten Overall, die uns gern aufschlitzen würde, und nachdem diese vertrieben ist, eine leere Eingangshalle, in der weggeworfene Demonstrationsschilder mit Aufschriften wie Let it end, let us ascend!, We are not your property oder Rapture is DEAD! davon zeugen, dass die glücklichen, freien Einwohner von Rapture irgendwann sehr unglücklich und sehr unfrei geworden sein müssen.
BioShock erzählt zwei Geschichten gleichzeitig: Zum einen die Ereignisse um Jack, seine Ankunft in Rapture, und Atlas, den Mann, der ihm bereitwillig hilft, nachdem Jack in Rapture eintrifft. Atlas war der Anführer einer Revolution gegen Ryans Management, der nun Jacks Hilfe braucht, um den seit über einem Jahr tobenden Kampf endgültig zu gewinnen, und Ryan hält die Splicer - so heißen die genetisch manipulierten, verrückten Einwohner der Stadt - chemisch unter Kontrolle, um den brüchigen Frieden zu halten. Jacks Ankunft verändert alles, und im Lauf der Geschichte lernen wir nicht nur Ryan, Atlas, den kriminellen Unterweltboss Frank Fontaine und Jack selbst besser kennen, sondern vor allem auch den offensichtlichen und doch unauffälligen Star des Spiels: Rapture selbst. Das ist die zweite Geschichte, die BioShock parallel zur Ersten erzählt. Und an dieser Stelle muss ich einwerfen: Sollte es zur Debatte stehen, dass Computerspiele eine Kunstform sein können, steht BioShock auf der Liste der Pro-Argumente SEHR weit oben.
BioShock erzählt die Geschichte seiner gescheiterten Utopie auf eine Art, wie nur ein Computerspiel es kann. Es gibt genug Spiele, die den Spieler zunächst einmal mit einer fünfminüten Cutscene konfrontieren, damit der Spieler vermeintlich genug Informationen hat, um alles, was er darauffolgend durchspielt, in einen Kontext einordnen zu können. Entwickler, die diesen Weg wählen, vertrauen oftmals ihrer eigenen Fähigkeit zur Narration nicht: Sie glauben, dass ihr Produkt unfähig ist, für sich zu sprechen. BioShock ist das polare Gegenteil: Alles an Information, was man serviert bekommt, kommt lediglich von den Charakteren, in deren Auftrag man unterwegs ist. Alles andere muss man sich selbst zusammensuchen, und auch das ist ein Teil des Spiels: Wer die Augen nicht aufhält, wird nicht wissen, was vor sich gegangen ist. Es gibt im ganzen Spiel eigentlich nur drei relevante Charaktere, die man persönlich trifft, aber erfährt nebenbei noch die Schicksale einer ganzen Reihe von Bewohnern der Stadt, deren langsamen Abstieg und Verzweiflung man synchron zu dem erlebt, was aus der Stadt selbst geworden ist. BioShock legt viele Bilder übereinander: Das, was man audiovisuell präsentiert bekommt, und das, was man im Kopf hat, wenn man die präsentierte Information zu dem zusammensetzt, wie es vor diesem Verfall gewesen sein muss. Als Beispiel sei da genannt: An einem Ort findet man ein Audiolog, in dem eine besorgte Mutter ihrer kleinen verschwundenen Tochter eine Nachricht hinterlässt, wo das aktuelle Apartment ist, und dass die Tochter bitte dorthin zurückkehren solle, da die Mutter den Gedanken nicht ertragen kann, dass die Tochter eine der schaurigen Little Sisters geworden sei.
Später im Spiel, als man einen Apartmentkomplex durchsucht, findet man tatsächlich die Wohnung der Frau an der angegebenen Adresse. In dieser befindet sich ein weiteres Audiolog: Ihre Befürchtung hat sich bestätigt, sie hat die kleine Tochter dabei gesehen, wie sie in einen der in Rapture allgegenwärtigen Kanäle gekrochen ist, der nur für die Sisters gedacht ist.
Das Audiolog lag neben zwei Leichen, einem Mann und einer Frau, und auf dem Boden sind Tabletten verstreut.
Geschichten wie diese finden sich in Rapture zuhauf. Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen in Rapture, und das Ergebnis ist nicht nur ein guter Shooter, sondern nicht weniger als eine der am besten präsentierten und vor allem anspruchsvollsten Spielwelten der letzten Jahrzehnte.
Puh. Zudem war mein Jahr 2018 bisher im Allgemeinen recht scheiße, und da ich weder vorhabe, weiter zu versauern, noch diesen Thread einschlafen zu lassen, hab ich mir mal meine Steam-Library angeschaut und mal überlegt, wozu ich eigentlich noch paar Takte sagen könnte. Ich wurde recht schnell fündig.
Somewhere... beyond the sea...
BioShock (2007)
__________________
Dieser Post wird vergleichsweise kurz, und das liegt daran, dass ich alle Spoiler diesmal wirklich aufs Minimum beschränken möchte, weil das Erfahren und Erleben der Ereignisse von BioShock ein absolut elementarer Bestandteil des Spiels ist. Ein zweiter Post, in dem ich dann rücksichtslos und heftig spoilern werde, um auf all die Facetten einzugehen, die BioShock hat, wird noch folgen. Aber zunächst einmal: Wie beschreibt man BioShock?
Rein vom Spielerischen her bot es schon 2007 nur wenig, was noch nie dagewesen wäre. Acht oder neun Waffen, dazu noch eine Menge verschiedener Munitionsarten, nebenher kann man noch Plasmide (sprich, Zauberkräfte) einsetzen und mithilfe von Tonika (passiven Modifiern) seinen Charakter weiter ausbauen. Wenn man Irrational Games (und Ken Levine) eins lassen muss, dann dass sie über den kreativen Orgasmus namens BioShock nicht vergessen haben, dass sie immer noch ein Spiel programmieren - wenn man sich lediglich schöne Bilder und eine interessante Geschichte anschauen will, könnte man ja genausogut einen Film schauen. Aber nein: BioShock ist ein Spiel. Gelingt das?
Die einzige Antwort kann nur sein: Ja. Ziemlich gut. Als Shooter ist BioShock bei weitem nicht Weltklasse, aber dennoch gut gelungen - der Umgang mit den verschiedenen Plasmiden und Waffen macht Spaß, und es ist ein ziemlicher Genuss, sich durch die Horden von Splicern zu prügeln, schießen, feuern, blitzen, knallen, worauf immer man Lust hat, während man sich durch die baufällige, langsam mit Wasser füllende Ruine namens Rapture schlägt, um Andrew Ryan und seinen Handlangern zu Leibe zu rücken. Es gibt ein paar Ungereimtheiten - Hacking beispielsweise sollte nach dem technischen Stand von Rapture nichtmal möglich sein, und das dazugehörige Minigame müsste wahrheitsgemäß eigentlich KlempnerSimulator 1959 Edition heißen. Im Großen und Ganzen tun diese dem Erlebnis nicht wirklich einen Abbruch und sind der einzige Fall, in dem das, was man macht, nicht wirklich eine Erklärung hat. Aber zurück zur Sache:
Wat? Rapture fließt voll? Und wer zum Fick ist Andrew Ryan? Splicer? Plasmide? Hier wird's spannend. Nach Vampire: Bloodlines und Mafia ist BioShock der dritte Titel in diesem Blog, der das Prädikat "Alt aber geil" verdient. Und auf eine Art, die bisher nur eine Person kopieren konnte - Ken Levine selbst, der kreative Kopf hinter System Shock 2, BioShock, und BioShock: Infinite, die allesamt nach demselben Schema funktionieren, aber jedesmal ein anderes Thema angehen. Aber wie?
BioShock beginnt mit einem Flugzeugabsturz im Jahr 1960. Der Protagonist, Jack, seines Zeichens ein eingefleischter Fan von Handgelenktattoos und beigefarbenen Baumwollpullovern, ist per Flieger unterwegs zu Verwandten nach Europa. Diese haben ihm per Post wohl ein Paket geschickt, das er bitte erst im Flugzeug öffnen soll - und kaum öffnet er das Paket, stürzt das Flugzeug ab.
Wie durch ein Wunder überlebt Jack den Absturz. Und er muss nicht lange auf Rettung harren - in direkter Nähe der Absturzstelle, mitten im Atlantik, befindet sich ein Leuchtturm. Ab diesem Moment hat der Spieler die Kontrolle. Wir schwimmen durch die brennenden Flugzeugtrümmer durch zu besagtem Leuchtturm, nur um festzustellen, dass das Leuchten wohl niemals Zweck dieses Turms gewesen ist.
Kaum treten wir ein, springen langsam Lichter an, und eine riesige Messingbüste eines noch unbekannten Mannes grüßt uns, mitsamt eines roten Banners, das in goldenen Lettern verkündet:
No gods or kings. Only Man.
Das Einzige, was zu hören ist, ist nur ein leises Grammophon, das eine Instrumentalversion von Charles Trenets La Mer (besser bekannt als Beyond the Sea) in die nasskalte Leere säuselt, und das Platschen der eigenen Schritte.
Nur ein kleiner Vorgeschmack darauf, was uns noch erwartet. Den einzigen Weg nehmend, der sich bietet, schreiten wir die Treppe in den Keller des überaus ästhetischen Leuchtturms hinunter - wo wir eine einsatzbereite Tauchkugel vorfinden.
Was folgt, nachdem wir einsteigen, müsst ihr euch selbst anschauen. Die eigentliche Introsequenz von BioShock, die folgt, gehört meines bescheidenen Ermessens nach zu den allerbesten der ganzen Spielgeschichte:
Wir lernen also bereits auf der Tauchfahrt nach Rapture Andrew Ryan kennen, den Initiator und Gründer der auf dem Meeresboden gegründeten Stadt Rapture. Seine Vision ist ebenfalls unmissverständlich, dargeboten mit einer Rhetorik, dass die halbe Wall Street unisono das Wichsen anfangen würde - doch wie gut das alles ausgegangen ist, sehen wir bereits schon an dem Moment, an dem die Tauchkugel im Welcome Center von Rapture auftaucht.
Nichts ist, wie es scheint. Anstelle einer glücklichen, libertären Utopie, in der jeder das besitzt, was ihm zusteht, in der sich Ryans Vision eines Mikrokosmos freier Menschen, in der die komplette, uneingeschränkte Freiheit von Kunst, Wissenschaft und Handwerk als veritables Modell durchgesetzt hat, finden wir einen Alptraum vor: Die Stadt ist nah am Zusammenbruch. Fast alle Bewohner sind entstellt und wahnsinnig, und die Wenigen, die noch zu rationalem Handeln fähig sind, scheinen die Überlebenden eines Bürgerkriegs zu sein, der die Stadt zerrissen hat. Anstelle eines höflichen Mitarbeiters, der uns nach Lebenslauf und Bonität ausfragt, um uns dann zur Luxussuite zu führen, in der wir unser neues Leben als unterseeischer Leistungsträger antreten dürfen, begrüßt uns eine entstellte, bewaffnete Lady in einem roten Overall, die uns gern aufschlitzen würde, und nachdem diese vertrieben ist, eine leere Eingangshalle, in der weggeworfene Demonstrationsschilder mit Aufschriften wie Let it end, let us ascend!, We are not your property oder Rapture is DEAD! davon zeugen, dass die glücklichen, freien Einwohner von Rapture irgendwann sehr unglücklich und sehr unfrei geworden sein müssen.
BioShock erzählt zwei Geschichten gleichzeitig: Zum einen die Ereignisse um Jack, seine Ankunft in Rapture, und Atlas, den Mann, der ihm bereitwillig hilft, nachdem Jack in Rapture eintrifft. Atlas war der Anführer einer Revolution gegen Ryans Management, der nun Jacks Hilfe braucht, um den seit über einem Jahr tobenden Kampf endgültig zu gewinnen, und Ryan hält die Splicer - so heißen die genetisch manipulierten, verrückten Einwohner der Stadt - chemisch unter Kontrolle, um den brüchigen Frieden zu halten. Jacks Ankunft verändert alles, und im Lauf der Geschichte lernen wir nicht nur Ryan, Atlas, den kriminellen Unterweltboss Frank Fontaine und Jack selbst besser kennen, sondern vor allem auch den offensichtlichen und doch unauffälligen Star des Spiels: Rapture selbst. Das ist die zweite Geschichte, die BioShock parallel zur Ersten erzählt. Und an dieser Stelle muss ich einwerfen: Sollte es zur Debatte stehen, dass Computerspiele eine Kunstform sein können, steht BioShock auf der Liste der Pro-Argumente SEHR weit oben.
BioShock erzählt die Geschichte seiner gescheiterten Utopie auf eine Art, wie nur ein Computerspiel es kann. Es gibt genug Spiele, die den Spieler zunächst einmal mit einer fünfminüten Cutscene konfrontieren, damit der Spieler vermeintlich genug Informationen hat, um alles, was er darauffolgend durchspielt, in einen Kontext einordnen zu können. Entwickler, die diesen Weg wählen, vertrauen oftmals ihrer eigenen Fähigkeit zur Narration nicht: Sie glauben, dass ihr Produkt unfähig ist, für sich zu sprechen. BioShock ist das polare Gegenteil: Alles an Information, was man serviert bekommt, kommt lediglich von den Charakteren, in deren Auftrag man unterwegs ist. Alles andere muss man sich selbst zusammensuchen, und auch das ist ein Teil des Spiels: Wer die Augen nicht aufhält, wird nicht wissen, was vor sich gegangen ist. Es gibt im ganzen Spiel eigentlich nur drei relevante Charaktere, die man persönlich trifft, aber erfährt nebenbei noch die Schicksale einer ganzen Reihe von Bewohnern der Stadt, deren langsamen Abstieg und Verzweiflung man synchron zu dem erlebt, was aus der Stadt selbst geworden ist. BioShock legt viele Bilder übereinander: Das, was man audiovisuell präsentiert bekommt, und das, was man im Kopf hat, wenn man die präsentierte Information zu dem zusammensetzt, wie es vor diesem Verfall gewesen sein muss. Als Beispiel sei da genannt: An einem Ort findet man ein Audiolog, in dem eine besorgte Mutter ihrer kleinen verschwundenen Tochter eine Nachricht hinterlässt, wo das aktuelle Apartment ist, und dass die Tochter bitte dorthin zurückkehren solle, da die Mutter den Gedanken nicht ertragen kann, dass die Tochter eine der schaurigen Little Sisters geworden sei.
Später im Spiel, als man einen Apartmentkomplex durchsucht, findet man tatsächlich die Wohnung der Frau an der angegebenen Adresse. In dieser befindet sich ein weiteres Audiolog: Ihre Befürchtung hat sich bestätigt, sie hat die kleine Tochter dabei gesehen, wie sie in einen der in Rapture allgegenwärtigen Kanäle gekrochen ist, der nur für die Sisters gedacht ist.
Das Audiolog lag neben zwei Leichen, einem Mann und einer Frau, und auf dem Boden sind Tabletten verstreut.
Geschichten wie diese finden sich in Rapture zuhauf. Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen in Rapture, und das Ergebnis ist nicht nur ein guter Shooter, sondern nicht weniger als eine der am besten präsentierten und vor allem anspruchsvollsten Spielwelten der letzten Jahrzehnte.
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Ne marche pas devant moi, je ne te suivrai peut-être pas.
Ne marche pas derrière moi, je ne te guiderai peut-être pas.
Marche à côté de moi et sois simplement mon amie. - Albert Camus
Sundry's Gameblog! NEUER POST: Hunt: Showdown
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