Angepinnt Der Serien-Diskutierthread

Da sitz ich nun und schreibe das - bitter nötig für mich, dass ich mich einer Aktivität widme - nachdem ich 15 Minuten nach Ablaufen der Credits stillschweigend auf meinem Bett sitze und die letzten Tränen wegwische. Es kostet mich etwas Überwindung das zuzugeben, aber ich habe das erste Mal in meinem Leben über etwas geweint, was sich im Monitor abgespielt hat. Ok ich gebe zu, auch bei Click mit Adam Sandler war da was, aber mein Auge konnte die Träne nicht runterdrücken, weil keine neuen mehr gekommen sind; erst nach dem Impuls ausgelöst durch einen Wimpernschlag kullerte was runter... Bei Breaking Bad kam es von alleine. In Massen. In Strömen. Der einzige Realitätsbezug war die Spiegelung des Sonnenlichtes an meiner mittlerweile nassen Hand...

Ich bin froh, dass ich gewartet habe, bis die Serie an einem Ende angekommen ist, und dann alles nacheinander gesehen habe. Ich hätte mir niemals dieses Gefühl der absoluten Befriedigung und Freude über ein so überragendes Kunstwerk zusprechen können, wenn eine Woche zwischen den Episoden pausiert werden müsste. Edgar Allan Poe schreibt in seiner "The Philosophy of Composition", dass ein Gedicht unbedingt in einer Sitzung durchgelesen muss, damit man der äußeren Welt keine Möglichkeit einräumt, den Anstieg der Seele ("Elevation of Soul") zu stören, damit das Gedicht seinen maximalen Effekt erzielen kann. Was auch immer in mir die Trance des wöchentlichen, zombiehaften Breaking-Bad-Schauens in der Mitte der Staffel 4 gestört hat - ich bin ihm oder es dankbar, dankbar, dass ich Breaking Bad zwischenzeitlich einfach vergessen habe und dankbar, dass ich durch dieses Forum wieder die unfassbare Inbrunst gefühlt habe, es zu sehen.

Nach Ende der Staffel 3 fand ich Breaking Bad "cool", ich wusste, ich werde es weiterverfolgen. Aber es gab zwischen den Folgen immer wieder Momente, in denen ich aufgestanden bin und andere Sachen gemacht habe. Als es gegen Ende der Staffel 4, und dann Staffel 5, ging, merke ich in Retroperspektive, dass ich einfach absolut keine Kontrolle über meine Hand gehabt habe, die mittels 5 Mausklicks die nächste Folge an den Schirm brachte. Eine Folge nach der anderen. Das Handy klingelt? Scheiß drauf. Es gibt nur den Bildschirm und mich.

Wie oft passiert es, dass etwas Gutes schlecht fortgesetzt wird? So ziemlich jede andere Serie schafft es. Breaking Bad schafft das genaue Gegenteil und wird immer, immer besser. Breaking Bad bietet einem eine Kollision zwischen Polen, Dualitäten, zwischen rationalem Denken und emotionalgeladenen Handlungen, zwischen scharzem Humor und tragischen Katastrophen; eine sensible Gegebenheit, wenn man bedenkt, wie schwer es ist solche gegenteiligen Facetten zusammenzubringen und mit Stil und faszinierender Schönheit zu präsentieren.

Ich bin wirklich kein guter Kritiker, was Serien angeht, und sehe wahrscheinlich auch kaum die winzig kleinen Details, die Breaking Bad nochmal besser machen, allerdings steckt alleine schon in den Titeln der Folgen soviel drin, dass ich es kaum wage nach filmischen Stilmitteln Ausschau zu halten und diese zu interpretieren. Nimmt man nämlich beispielsweise den Finaltitel "Felina", dann zitiere ich einfach mal aus Wikipedia

"The episode title, "Felina," refers to the character Feleena from the cowboy ballad "El Paso" by Marty Robbins, which is widely referenced during the episode.[8] The plot parallels the story unfold in the song lyrics, for example: Walt's runaway in the previous episode ("I had but one chance and that was to run"), his urge to come back from exile ("My love is strong and it pushes me onward"), his overcoming of the fear of dying ("My love is stronger than my fear of death"), the imminence of his death ("Maybe tomorrow a bullet may find me"), the way he dies by a stray bullet ("A deep burning pain in my side", "I feel the bullet go deep in my chest") and his passing away in the meth lab ("One little kiss and Feleena, good-bye").[13] The writers tweaked the name from Feleena to Felina so that it would also be an anagram for Finale.[14][15]
The word Felina can also be broken up into 3 different periodic
elements. Iron (Fe) is the dominant chemical in blood, Lithium (Li) can
be used in the manufacturing of methamphetamine, and Sodium (Na) is a
major element in tears.[16] "

Geht es noch passender? Wenn alleine schon in Titeln mehr steckt, als in manch einer Folge einer anderen Serie, dann frage ich mich, was man wohl noch so raussaugen könnte. Wahrscheinlich durch und durch bespickt mit Vorausdeutungen und unterschwelligen Informationen, vielleicht angefangen bei der Namensgebung (Walter White, Jesse Pinkman, die Ehepartner Schwartz) und eine mögliche Anspielung einer Dekodierung dessen durch Farbenkunde, bis hin zu der Musikwahl und und und...

Das alles kann ich nicht, aber ich wette, dass für die, die es können, diese Serie nochmal umso reizvoller ist, da diese Personen anfälliger für die Bezauberung der Serie sind. Das einzige was ich weiß, ist, dass in dieser Serie die mit Abstand besten und klügsten Dialoge und Handlungen passieren, die ich mir je hätte auch nur ansatzweise vorstellen können. Vergleichslos. Atemberaubend. Das ganze unterfüttert durch hemmungslos geniale schauspielerische Leistungen, insbesondere Walter, Jesse und Hank, und der abgöttisch perversen Stimme von Bryan Cranston, die ein "stay out of my territory" , "we're done, when I say that we're done" oder "I am the danger" gnadenlos perfektionieren.

Ich hoffe, ich konnte mich halbwegs artikulieren, ich lese diesen Post nicht nocheinmal durch, schicke ihn jetzt einfach ab und gehe jetzt nach 16 Stunden was essen.

Hoffe der scheiß Ziggy stirbt endlich mal. Gut ätzender Hurensohn. Sonst gefällt mir die Serie ziemlich. Schade um D