
[8:45 PM] WhineTraube: Ich gucke keine twitchhoes
Oster schrieb:
Wenigstens shrodo denkt mit.
TripperK schrieb:
Der Mandant ist absolut sehenswert. Gestern gesehen.
Stark gespielter McConnaghey, Story auch nicht allzu verbacken, fand die jetzt nicht wirklich twisted. Ryan Philippe wieder in der Rolle des Bösewichts
Und Bryan Cranston [Breaking Bad] hat auch mitgespielt
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Bighead ()
After Maths schrieb:
Hey all! Ich habe schon lange mit der Idee gespielt, hier wieder mal etwas aktiver zu sein. Einige kennen mich vielleicht noch als einen aspirierenden Dota-Caster von vor 10 Jahren (omg). Schön zu sehen, dass das Forum noch lebendig ist, wenn auch nicht mehr ganz wegen Dota.
Ich wollte die Gelegenheit nutzen, auch an Bighead anknüpfend, mal kurz einen Realitätscheck einzuholen bezüglich Oppenheimer: für mich ist der Film eine große Enttäuschung, und ich würde gerne von denjenigen, die das anders sehen, verstehen, inwieweit die doch extrem positive Resonanz gerechtfertigt ist. Alles Folgende ist ein spoiler, also Obacht!
Zunächst seien einige offensichtliche Punkte vorweggenommen: Der Film ist natürlich "gut gemacht," das heißt, die ganze Aufmachung ist opulent und professionell und die Schauspielerinnen und Schauspieler sind größtenteils stark (mit Ausnahme von Matt Damon, der keinen überzeugenden General abgegeben hat). Ich habe den Film in IMAX gesehen, und das war insofern eine interessante Erfahrung, als ich relativ weit vorne sitzen musste (alles andere war schon belegt), und dadurch die Erfahrung der großen Leinwand wahrscheinlich wesentlich schlechter war als in nicht-IMAX. Das hat mich an meinen Besuch der Sixtinischen Kapelle im Hochsommer 2019 erinnert. Du denkst, du hast eine krasse ästhetische Erfahrung, wenn du diese Meisterwerke im Original siehst, aber schwitzt, kannst kaum atmen, wirst zerquetscht und weitergetrieben, und hättest lieber auf deinem kleinen Laptopbildschirm die digitalen Kopien anschauen sollen.
Nach den ersten fünfzehn Minuten dachte ich, das wird der beste Film aller Zeiten. Nolan und sein Team konnten stilistisch sehr schön Kino und Trauma verzahnen. Die bloße Aneinanderreihung von Bildern ohne gesprochenen Text (mitsamt der closeups auf die echt unfairen blauen Augen von Murphy) waren wundervoll. Die darauffolgenden, schnellen Einblicke in Oppenheimers Universitätsausbildung bis zum vergifteten Apfel und seine Rückkehr nach Amerika waren alle sehr gut.
Dann fing's an eigenartig zu werden. Der Film hatte nicht nur die Chance, sondern den impliziten Auftrag, Einblicke in die wissenschaftliche Situation von und um Oppenheimer zu geben. Quantentheorie wird bis auf die Metapher mit den Händen am Glas (Oppenheimer & Kitty) nicht erklärt. Oppenheimers Intuition bezüglich noch nicht beschriebener schwarzer Löcher kriegt nur marginale Aufmerksamkeit. Schlimmer wurde es, als Oppenheimer nur das Psi der Wellenfunktion an die Tafel schreibt, um dann stattdessen lieber einen Studenten wegen seiner Unkenntnis über die Quantenmechanik zu dissen. Bodenlos wurde es, als ein Kollege Oppenheimers Hand schüttelt, mit der Bemerkung: "Congratulations on your paper on molecules!" Was denn für "Moleküle?" Nolan wird ja oft als Kommunikator von harter Wissenschaft bezeichnet, und das ist bei Filmen wie Interstellar und Tenet auch einigermaßen zufriedenstellend der Fall. Hier aber sieht man, dass er Panik kriegt und die total einfache Route nimmt, um das Publikum ja nicht mit Wissenschaft und Mathematik zu konfrontieren. Stattdessen war das eine Parodie wie bei Big Bang Theory: im Hintergrund stehen schlaue Formeln, und im Vordergrund wird sich über Triviales ausgetauscht. Ich frage mich dann, warum Nolan ständig Kip Thorne einkauft, das hätte man auch mit Wikipedia und zwei YouTube-Videos hinbekommen. Und die Tatsache, dass er es durch die Leute um sich herum könnte, aber eben nicht tut, hat mich enttäuscht. War irgendwie alles zu easy.
Dann fand ich wurden einige essenzielle Prinzipien des Filmemachens missachtet. Diese dicke Urne, die mit Murmeln gefüllt wird -- an sich ja eine gute Idee, um die Gewalt der Bombe darzustellen -- wird am Ende nicht mal gedroppt. Das letzte Mal im Bildschirm ist sie, als Niels Bohr den weiten und gefährlichen Weg von Kopenhagen nach Los Alamos auf sich nimmt, ausgerüstet mit der heiklen und überaus notwendigen Nachricht: Die Nazis wüten, pass auf, Bro. Ich empfand das als Verstoß gegen das "Chekhov's gun"-Prinzip, warum füllst du über einen so langen Zeitraum ein Gefäß, wenn damit nichts passiert? Ich hätte mir gewünscht, das Zerbersten dieser Kugel mit Hiroshima zu parallelisieren, mitsamt Oppenheimers blauen Augen, die auf die zugrundeliegenden Formeln starren. Die Architektur und Funktionsweise der Bombe selbst wird eigentlich auch nicht gut behandelt, und genau hier hätte man mal als Nichtphysiker lernen können, was eine Atombombe ist. Das Prinzip der Kettenreaktion durch Kernspaltung ist mit den Regentropfen und dem Lauffeuer schön dargestellt, aber wenn diese Erkenntnis für den Bau der Bombe ausreicht, warum diskutieren so viele Wissenschaftler ständig rum? Was muss also beachtet werden, welche physikalischen Prozesse sind von Relevanz? Hier hätte John von Neumann als Charakter genau diese Schnittstelle bedienen können, und es ist nahezu kriminell, dass er, obwohl er bei Trinity dabei war, im Film überhaupt nicht vorkommt. Ein weiteres filmisches Prinzip, wogegen verstoßen wird, ist: Eigentlich sollte es im Film weniger ums Reden, sondern viel mehr um Bewegung gehen. Mangelnde Fantasie bezüglich der filmischen Bewegung wird amateurhaft durch Dialog kompensiert. Oppenheimer ist im überwältigenden Großteil ein einziger, und dazu noch überhaupt nicht spannender, Dialogporno. Es wird ständig wiederholt und über komplett irrelevante Themen geredet. Die Tatsache, dass Oppenheimer vielleicht kommunistische Verbindungen hatte, oder dass er von Lewis Strauss verraten wird, kann man ja mal erwähnen, aber diese Gerichtssequenzen waren eine so gigantische Aufblähung, gegen die der gezeigte Atompilz ein Witz ist. Was ist schlimmer: Hiroshima oder Lewis Strauss' Intrigen? Der arme Rami Malek hatte die unnötigste Rolle in der Filmgeschichte... Dieses Gerede hat mich müde gemacht; nicht das nicht-lineare Narrativ, wie bei Memento, wobei man sich konzentrieren muss, sondern dass ständig über so Nebensächliches geredet wird, bis man die Lust verliert, zuzuhören. Es war also keineswegs so, dass die geopferte Mathematik einem noch größeren Drama die Bühne geboten hätte: Beides kam nicht vor.
Es gibt noch viele andere nervige Kleinigkeiten, die in der Summe auch sehr gestört haben, aber ich belasse es mal bei der Trinity-Szene, in der ein echt unfassbar intensives und wirklich lautes Geigenspiel einsetzt, und du denkst, da passiert jetzt was, und einige Minuten später sagt ein Charakter: "In 20 Minuten geht die Bombe hoch!" Und gefühlte 20 Minuten lang gibt es ein viel zu ausgedehntes Geigencrescendo. Dazu muss man sagen, dass es ein schöner Kniff war, die totale Stille mit dem Hochgehen der Bombe einsetzen zu lassen, aber die 20 Minuten davor, in denen sich namhafte Physiker in den Sand legen oder ihr Gesicht mit einer Creme beschmieren, haben sich angefühlt wie der berühmte "turn of the screw" - einfach zu viel.
Genial aber war die Harry-Truman-Szene mit Gary Oldman. Für mich die beste Szene des Films. Und die letzten fünf Minuten mit Einstein und dem Untergang der Welt waren auch richtig gut.
Ungeachtet dieser Punkte ist mein Hauptkritikpunkt darauf gerichtet, was der Film hätte sein können. Für mich stellt er eine verpasste Chance zu einem so faszinierenden Thema dar, und ich kann nicht so recht nachvollziehen, was (mitunter namhafte reviewer in Zeitungen) darin sehen, wenn sie vom "besten biopic aller Zeiten" sprechen. Dennoch bin ich gespannt auf die ersten reflektierten Aufsätze und Essays dazu.
Ich wette, das zugrundeliegende Buch American Prometheus ist so viel besser als der Film... wahrscheinlich wie bei Andrew Hodges' hoch angesehener Biographie Alan Turings und der Inszenierung in The Imitation Game (zu der Oppenheimer eigentlich viel zu ähnlich, fast schon redundant ist). Und ich wette auch, dass Barbie viel besser ist, den hab ich aber noch nicht gesehen, bin aber schon gespannt darauf.
Es bleibt also die Frage: Habt ihr das auch so gesehen, oder bin ich, ohne es zu wissen, zu einem parasitären Hater verkommen?
Oster schrieb:
Wenigstens shrodo denkt mit.
Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Outrage ()
Outrage schrieb:
KotFM (guter Film, 0 aus 10)
Oster schrieb:
Wenigstens shrodo denkt mit.